Von Simeon Holub, 19.02.2019

Ein Button für alle Fälle

Ob beim Fine-Tuning oder dem Prahlen mit Repertoirewissen: Musik-Apps können einem ganz schön die Show stehlen. Wer sein Handy aber mit den richtigen Tools ausstattet, erleichtert sich seinen Musikliebhaber-Alltag enorm. Hier kommt unsere Top 5 der Musik-Apps.

Jeder, der einmal an einer Musikhochschule studiert hat, stellt sich früher oder später die Frage: Wozu verdammt brauche ich eigentlich Gehörbildung? Nicht dass es mir keinen Spaß bereitet hätte. Im Gegenteil: Es war von Anfang an eine wundervolle Hassliebe. Liebe, wenn die gehörten Akkorde 9 plötzlich einen Namen erhielten. Hass, wenn der Dozent sich beim Rhythmusdiktat selbst verklopfte.
Irgendwie kamen wir dennoch alle durch. Und tatsächlich gibt es sie wirklich: alltägliche Situationen, in denen höranalytische Fähigkeiten einen weiter bringen, oder zumindest ins Gespräch. Egal ob Café, Kneipe oder Auto – bei zunehmender Hintergrundbeschallung lässt sich das geschulte Ohr hervorragend unter Beweis stellen.
Regelmäßig entwickelt sich daraus ein herrliches Komponistenraten: Da hört man doch ein Dominant-Tonika-Pendel – könnte Mozart sein. Fünfstimmig kontrapunktische 62 Vokalmusik – Lasso vielleicht, oder doch Josquin? Es wird diskutiert und argumentiert, doch dann passiert etwas, das alles ändert. Mein Gegenüber nimmt sein Handy aus der Tasche und nutzt die Smartphone App „Shazam“.

  1. Was für orgiastische Zustände: Mindestens drei Töne gleichzeitig bilden einen Akkord, Ausnahmen bestätigen die Regel. Tri-tra-trullala, das ist der Durakkord. Die Familie der Akkorde ist groß: Quartsextakkord, Septnonakkord und verminderter Akkord.Viel Spaß beim Rätseln. (CW)

  2. Hoch lebe Bach, die musikalische Gleichberechtigung und der tönende Diskurs! Es geht darum, dass alle Stimmen gleichberechtigt fortlaufen können, keiner hat das Sagen. In der Polyphonie ist das spannend, sonst haben wir nur Eintöniges: Melodie und Begleitung. Es lebe der Kampf der Eigenständigkeit. (CW)

Nie wieder endlose Diskussionen, nie wieder nerdy sein. Ich hasse Shazam.

Der Musik-Detektor unter den Apps

Noch bevor ich „Trugschlusskadenz“ 185 sagen kann, spuckt seine App das gehörte Ergebnis aus, mitsamt Komponistennamen, Werktitel und Interpret. Das Raten hat ein Ende. Nie wieder endlose Diskussionen, nie wieder nerdy sein. Ich hasse Shazam.
Schon allein deshalb schafft es die App nur auf Platz 5 meiner liebsten Musik-Anwendungen. Zugegeben, ich beginne sie allmählich zu mögen, ähnlich wie die Gehörbildung. Denn das wundervolle an Shazam ist nicht nur die genaue Trefferquote, bei der jede noch so profunde Stilkenntnis nicht mithalten kann – die App speichert alle detektierten Musikstücke mit Albumcover und Songtexten ab und bietet mit nur einem Klick die Möglichkeit via iTunes, YouTube oder Spotify darauf zuzugreifen.

  1. Eine Art von Publikumsverarsche. Eine Kadenz, also eine Schlusswendung endet in der parallelen Molltonart. Irgendwie ist also Schluss, aber doch nicht so richtig. Wird in der Klassik und in der Barockmusik oft bis zum Erbrechen praktiziert. Der geübte Hörer weiß so irgendwann fast immer, was kommt. Den Ersthörer mag es noch immer überraschen. (MH)

Die Auswahl bei Spotify bereitet oft Bauchschmerzen.

Schlaraffenland oder Ausbeutung?

Also ergebe ich mich der Versuchung und öffne „Spotify“, die ein so unverschämt großes Angebot an Klangerlebnissen liefert, dass ich wie ein Kind im Schlaraffenland stehe. Doch auch diese Applikation hat ihre Schattenseiten, wie wir bei niusic schon feststellen durften: Bei kostenloser Nutzung erwartet einen die wohl nervtötendste Werbung der Welt. Und für Musikschaffende ist das Streamingportal vergleichbar mit einem abstürzenden Aktienfonds. Die Gebühr zum Hochladen ist oftmals höher als der Cent-Betrag, der durch Streams zustande kommt (Ja ich spreche leider aus eigener Erfahrung).

Ein bisschen Spaß muss sein

Also schnell weiter zu Platz 3. „Cosima“ heißt die französische interaktive Musikanwendung, bei der von Vogelgesängen bis Elektroschock-Drone-Sounds alles dabei ist. Das Gute ist: Die App muss nicht einmal runtergeladen werden, sondern funktioniert auf dem Handy als einfache Browseranwendung.
Vorsicht: Klingeltonfunktion anschalten, sonst läuft nichts. Das Prinzip ist eine einfache Klangerzeugung durch motorische Bewegungen des Handys. Also: shake, shake, shake and make some music.



Bist Du in Stimmung?

Es gibt unendlich viele spielerische und vielleicht auch unnötige Apps im Bereich der Musik. Eine mobile Babyspieluhr oder eine klassische Musik-App für die Schwangerschaft sollten nicht unerwähnt bleiben.
Doch eine, die mich tagtäglich begleitet, ist folgende: „Tuner Lite“. Ähnlich unsexy wie „Cola Light“, verspricht der Name erst einmal nicht viel Glamour. Und genau das muss Platz 2 auch nicht. Es ist nämlich ein einfaches Stimmgerät, das meiner verstaubten Gitarre ebenso zum Wohlklang verhilft wie dem Chorsänger, dem die analoge Stimmgabel fehlt.

Der heilige Button

Nur noch eine App ist für einen musikalischen Smartphone-Nutzer unentbehrlicher:
„Sprachmemos“ – der Testsieger. Soll das ein Witz sein? Nein ich will hier keinen verappeln. Das vorinstallierte Dienstprogramm für iPhone-User ist Diktiergerät, Ideenschmiede, Jamsession-Zeuge, Musikprobemitglied und Recorder zugleich – all das mit nur einem roten Aufnahmebutton. Was will man mehr? Wer da noch Gehörbildung besuchen und mit Bleistift mitschreiben möchte, ist wirklich selbst schuld.

© Pixabay


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