Von Malte Hemmerich, 09.04.2016

Der Hammer!

Symbol für Götter und Superhelden, Werkzeug, Musikinstrument? Der Komponist Gustav Mahler macht den dumpfen Schlag eines Hammers orchesterfähig. Keine Spielerei, sondern durchdacht und mit umwerfender Wirkung.

Der Hammer in der sechsten Sinfonie Gustav Mahlers fällt schnell und heftig. Zwei gewaltige Schläge stehen im vierten Satz in der Partitur. Einen Dritten strich Mahler selbst später wieder, aus abergläubischer Angst. Zwei Schicksalsschläge hatten den Komponisten persönlich da schon ereilt.
Was diese Schläge ausmachen? Dumpf dringen sie in unser tiefstes Innere, über Boxen und Kopfhörer genauso wie im Live-Konzert. Solch eine archaische, existenzielle Bedrohung kennt man sonst in der Klassik nicht, Paukenschläge und Tam-Tam, dazu ein Beckenschlag, das ja, aber sowas? Schostakowitsch kommt Mahler noch am nächsten, mit seinen großen Trommelschlägen im Finale seiner fünften Sinfonie. Aber dagegen dringt der Hammer noch tiefer. Er hat durchaus eine Wirkung, die sonst kein „Instrument“ erzielen kann. Mahler ist kein plumper Effekthascher!

„Kurz, dumpf, mächtig hallend von nicht metallischen Charakter“

Mahler hat den Hammer in der Musik nicht erfunden, brachte ihn aber in neuer Dimension. Anders als in Richard Wagners „Rheingold", wo viele kleine Hämmer, die zudem gestimmt sein müssen, eine metallische Schmiedeatmosphäre erzeugen und dabei minutenlang das Zuhörerohr strapazieren, fällt in Mahlers letztem Satz der sechsten Sinfonie, der Hammer nur zweimal, und nach einer Sekunde ist jeweils alles vorbei: Ein durchdringendes Geräusch findet Einzug in die Musik. Es markiert Höhepunkte im Satz, zweimal folgt darauf das wilde Thema der Blechbläser und herumrasenden Streicher.
In Mahlers Anweisung ist außerdem genau beschrieben, wie der Hammerschlag auszusehen, genauer gesagt zu klingen hat: „kurz, dumpf, mächtig hallend von nicht metallischen Charakter.“

Keine Frage, Mahler nahm die Mystifizierung, das Abgründige, das seine Sinfonie durch den Hammer bekommt, gern in Kauf. Schließlich sollte sein Werk ja Rätsel aufgeben.
Nicht vorstellen konnte sich der Komponist damals, was seine Hammerverwendung in einschlägigen Videoportalen auslösen sollte: Zigfache Videos von niedersausenden Holzhammern finden sich da, und nicht zuletzt dieser großartige Vergleich:




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