Von Felix Kriewald, 27.06.2020

Teil des Problems

Die Klassikwelt ist rassistisch. Egal, wie sehr wir uns auch das Gegenteil vormachen wollen. Es wird Zeit, die bunte Brille abzunehmen und der monochromen Realität ins Auge zu blicken. Die niusic-Kolumne.

Es könnte so einfach sein. Musik als gemeinsame Sprache, Leistung auf der Bühne als einziges Auswahlkriterium, ein diverses Miteinander. Stattdessen erfahren Black, Indigenous and People of Color (BIPoC) auch im vermeintlich offenen Kulturbetrieb Diskriminierung und Rassismus.

Ein Betrieb, der nach außen hin Diversität und Offenheit predigt, ist in Wirklichkeit ein erheblicher Teil des Problems.

Unter den zahlreichen antirassistischen Statements, die verschiedene Ensembles und Theater nach der Tötung George Floyds veröffentlicht haben, liest sich auch immer wieder, dass Rassismus bei ihnen keinen Platz habe. Natürlich ist das gut gemeint, doch es ist beileibe nicht genug, einen flotten Spruch auf ein Plakat zu drucken. Wie etliche Expert:innen und Betroffene immer wieder klar machen: Rassismus ist ein strukturelles Problem unserer Gesellschaft und zu glauben, dass er vor unserer geliebten Kulturlandschaft Halt macht, ist blauäugig bis ignorant – es muss gehandelt werden.

Opernhäuser haben die Verantwortung, den historisch bedingten Rassismus des Werkkanons aufklärerisch zu behandeln, stattdessen werden in jeder zweiten Inszenierung äußerst plump kulturelle Klischees reproduziert. Wer sich dazu entschließt, „Madama Butterfly" oder „Turandot" aufzuführen, darf die Problematik nicht unkommentiert dastehen lassen. Ein rühmliches Beispiel ist hierbei die Seattle Opera, die ihrer Butterfly-Produktion im Jahr 2017 eine umfangreiche Ausstellung im Foyer des Hauses zur Seite gestellt hat.

Doch das, was wir von den Rängen aus auf der Bühne erleben, ist nur die Spitze eines White-Privilege-Eisbergs. Der Instagramchannel @operaisracist sammelt und veröffentlicht anonyme Diskriminierungserfahrungen von BIPoC im Opernbetrieb, die sich teilweise wahrhaft schockierend lesen. Von Mikroaggressionen („Du bist doch Latina, habt ‚ihr Leute‘ nicht eigentlich Rhythmus im Blut?“) über Besetzungsprobleme („Ein asiatischer Mann in der romantischen Hauptrolle verkauft sich einfach nicht!“), bis hin zum schamlosen Gebrauch des N-Worts – es macht traurig, wütend und müde. Ein Betrieb, der nach außen hin Diversität und Offenheit predigt, ist in Wirklichkeit ein erheblicher Teil des Problems.

Es ist nicht an uns alten, oder jungen, weißen Männern zu entscheiden, ob die Klassik ein Rassismusproblem hat oder nicht.

Doch was tun? Wir als Musikjournalist:innen tragen ebenfalls eine immense Verantwortung und haben aufgrund unserer Reichweite die Pflicht, hörbar über dieses Thema zu berichten. Doch wenn geschätzte Kolleg:innen wie Welt-Autor Manuel Brug davon predigen, dass „die Klassik diversifizierter [sei] als ihr Ruf“, ist das ein Schritt in die falsche Richtung und zeugt von mangelndem Rassismusverständnis. Es geht nicht darum, dass die beste Cio-Cio San vielleicht gar keine Asiatin ist, oder dass es doch mittlerweile einige BIPoC auf die großen Bühnen geschafft haben – die Community bleibt strukturell noch immer unterprivilegiert und -repräsentiert. Es ist nicht an uns alten, oder jungen, weißen Männern zu entscheiden, ob die Klassik ein Rassismusproblem hat oder nicht. Es gilt, den Betroffenen Gehör zu schenken und seine Privilegien zu nutzen um sich für sie laut zu machen, statt „Ich sehe was, was du nicht siehst“, zu spielen.

Was können wir gegen Rassismus tun?

Im Gegensatz zu BIPoC haben weiße Menschen die Wahl, ob sie sich mit Rassismus auseinandersetzen wollen oder nicht. Wir haben jedoch die Verantwortung, uns zu informieren. Ich empfehle euch zur Weiterbildung die Autorinnen Tupoka Ogette (exit RACISM) und Alice Hasters (Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten).

© pixabay


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