Von Jesper Klein, 05.02.2019

Zwischen den Stilen

Jazz trifft auf Klassik und Techno: Der Vibrafonist und Grenzgänger Pascal Schumacher bringt in der Philharmonie Luxemburg seine neueste Komposition zur Uraufführung. Doch eigentlich geht es um das Gesamtkunstwerk. Ein Ausflug in die Welt der Neoklassik.

Ein imposanter Bau: die Philharmonie Luxemburg

In Luxemburg ist das Schneechaos ausgebrochen, der Weg zur Philharmonie gleicht einer Rutschbahn. Der eindrucksvolle Bau des französischen Architekten Christian de Portzamparc liegt inmitten des Geschäfts- und Bankenviertels auf dem Kirchberg. Ein ungewöhnlicher Ort, ein ungewöhnliches Gebäude. Mehr als 800 Säulen formen ein innen wie außen imposantes weißes Auge.
Pascal Schumacher, Vibrafonist, steht auf der Bühne im fast 1500 Plätze fassenden „Grand Auditorium“. In wenigen Stunden wird er hier sein neuestes Werk zur Uraufführung bringen. Noch geht es um das letzte Feintuning des Klanges. Soll die Trommel an dieser Stelle schnarren oder nicht?

„Rosace.8“ ist eine Komposition für Vibrafon und Kammerorchester 58 . Analog zu einer Blume mit acht Blättern wollte Schumacher ein Stück mit acht Sätzen schreiben. Beim Mitzählen merkt man: Tatsächlich sind es zehn Sätze. Für Schumacher spielt das keine große Rolle. Das Stück beginnt nun eben mit 8.0 statt mit 8.1. und auf Nr. 8.7 folgt ein B-Teil. Im Programmheft ist davon ohnehin nichts abgedruckt. In der Probe spricht Schumacher mit den Musikern mal auf Französisch, Deutsch und Luxemburgisch. Hier treffen Sprachen und musikalische Welten aufeinander.

  1. Alle Musikergruppen, die nicht riesig und nicht winzig sind, nennen sich Kammerorchester. Zugegeben, stimmt nicht ganz, aber so wird der Begriff plastisch, denn die Grenzen sind fließend. Jedenfalls sind hier alle Solisten, und meistens fehlen die Bläser. So kann man sich vollends auf den Bratscher- und Geigenstreit konzentrieren. (CW)

Pascal Schumacher im Gespräch

Der Konzertabend beginnt noch bevor der erste Ton gespielt ist: Pascal Schumacher betritt die Bühne im Sakko, nur um es sogleich an seinem Instrument aufzuhängen. Man kommt nicht umhin, das als einen Teil der Show zu sehen. Ohnehin tut man gut daran, an diesem Abend keine Uraufführung im klassischen Sinn zu erwarten.

Schumacher bewegt sich in jeder Hinsicht zwischen den etablierten Genres. Das Jazz-Instrument Vibrafon, in der Klassik verschmäht, trifft auf das Orchester der Philharmonie Luxemburg. Gefällige Akkordfortschreitungen treffen auf tanzbare Beats. Ein klassisches Konzertsetting trifft auf Showeffekte. Denkt man diesen Grenzgang konsequent weiter, bräuchte es eigentlich eine urbanere Location als die Philharmonie. Dabei tut Schumacher vieles, um das Setting aufzubrechen. So hat er kein Problem damit, zwischen den Sätzen etwas über sein Werk zu plaudern. Das zerschießt zwar den dramaturgischen Bogen, aber diese 75 Minuten scheinen ohnehin für ein Album gemacht zu sein. Auch dass sich im Programmheft keinerlei Informationen zum Stück finden, ist in gewisser Weise konsequent – schließlich soll es ja darum gehen, die Stimmungen dieses Gesamtkunstwerks selbst zu erleben.

Denkt man diesen Grenzgang konsequent weiter, bräuchte es eigentlich eine urbanere Location als die Philharmonie.

Dabei sind die Ornamente, die an die Wand projiziert werden, genauso wichtig wie die Musik. Das Licht verändert sich analog zu den Klängen, die Bühne erscheint mal in blauem, mal in rotem Schein. Krasse Kontraste sind hingegen selten, meist fließen Musik und Licht atmosphärisch vor sich hin. Die Wiederholung von Motiven macht die Nähe zur Minimal Music deutlich, dazu kommen Harmoniefortschreitungen aus der Klassik und Soli aus dem Jazz. Seine stärksten Momente hat dieser Abend zu Beginn, als die Effekte reduziert sind und man der Motiventwicklung gut folgen kann.

Später dominiert der rhythmische Puls der Musik. Das Licht wechselt seine Farbe analog zur Musik, die Spots tanzen mal über den Boden, mal wie Suchscheinwerfer durch das Publikum. Dass Schumacher hier von Reduktion spricht, kann man durchaus verwunderlich finden, denn der Abend funktioniert, zumindest in diesen Teilen, eher nach dem Motto „Viel hilft viel“. Auf der Bühne ist zudem eine ausgedehnte Percussion-Abteilung versammelt, mit Pauke, Marimbafon, Gong und großer Trommel. Letztere gibt in der Techno-Nummer 8.5., die als Zugabe wiederholt wird, den Beat vor. Das Publikum klatscht den 4/4-Takt mit, ein wenig bemüht. Schließlich gibt es Standing Ovations, aber in Luxemburg ist das, lerne ich, ohnehin üblich. Ach ja: Das Sakko zieht Schumacher am Ende übrigens wieder an.

Die Reihe „Urban“ der Philharmonie Luxemburg

Mit der Reihe „Urban“ erkundet die Philharmonie Luxemburg Klangwelten, die fernab des klassischen Sinfoniekonzerts liegen.
In dieser Spielzeit waren bisher neben Pascal Schumacher der schwedische Sänger und Gitarrist José González und Ólafur Arnalds, ein Multiinstrumentalist aus Island, zu Gast.
Das nächste Konzert der Reihe: Chilly Gonzales am 3. März.

Informationen der Philharmonie Luxemburg

© Alfonso Salgueiro
© Außenansicht Philharmonie: Thomas Lenaerts


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