Von Malte Hemmerich, 23.12.2016

Morgen kommt die Kunstpolizei

Wie zu keiner anderen Zeit im Jahr werden im Dezember unsere visuellen Sinne angesprochen. Auf dem Weihnachtsmarkt glänzt der Schmuck verlockend, funkeln bunte Lichterketten. Und auch auf einem Streifzug durch die diesjährigen CDs zum Fest wird das Auge beschenkt.

Je älter man wird, desto mehr nimmt die Spannung ab, welche Geschenke denn nun am Heiligen Abend unter dem Tannenbaum warten. Wichtiger ist nun die Zeit mit der Familie, das Innehalten, das gute gemeinsame Essen.
Doch kaum streift der Blick das Cover zur Aufnahme „Christmas Surprises“ des Bayrischen Rundfunkchors, wird man gedanklich zurückgeschleudert in die früheste Kindheit, eine Zeit, in der Geschenküberraschungen noch zentral waren.
Man erinnert sich an den hässlichen Strampelanzug, in dem man als hoffnungsvoller Vierjähriger steckte, auf dem Boden herumkriechend wie ein kleines Hündchen, durchaus auch ein bisschen sabbernd vor Vorfreude. Erinnerungen kommen hoch an die Schwester in ihrem abgeschmackten altrosa Bademantel mit Katzenmotiv und den blöden Schleifchen im Haar, auf die sie so stolz war. Der Geruch von verbrannten Socken überm Kamin hängt wieder in der Nase.
Vor dem inneren Auge erscheint der Haufen der liebevoll dahindrapierten Geschenkberge unter dem Baum und ...
Nun gut, aber auch dem, der das Weihnachten seiner Kindheit nicht wie in einem feuchten Spießbürgertraum verbracht hat, verspricht dieses Cover trotzdem: Überraschungen!



Nun ist ein Thomas Hampson, der Irving Berlins „White Christmas“ ins erwartungsvolle Ohr säuselt, eher so, als hätte man am Heiligen Abend statt eines aufregenden Elektrogadgets nur wieder den zwar hübschen, aber doch altbekannten selbstgestrickten Pullover von Oma bekommen. Tatsächlich verbergen sich mit den Klassikern „O du fröhliche“ und „Santa Claus“ doch vom Geschenktechnischen her eher Socken und Unterwäsche auf dieser CD. Ein bisschen Unbekanntes gibts nur als Garnitur. Die große Weihnachtsüberraschung bleibt aus: Etikettenschwindel zum Fest!



Vor ein paar Jahren war eine CD der King`s Singers der große Renner zum Fest. Ein Verkaufsschlager, den man natürlich gern wiederholen würde. So knüpft man deshalb zuerst mal an den Coverstil des 2006er Weihnachtsalbums an. Statt verwaschene Lichter eines Adventkranzes gibt es diesmal einen verschwommenen Tannenbaum.
Der könnte ja tatsächlich Realität werden, wenn bei manchen Feiern um den Baum zu tief ins Glas geschaut wird. Vielleicht ist dann auch der richtige Moment, die neue Aufnahme der sechs a-cappella-Künstler aufzulegen. Beswingt und immer ein bisschen „over the top“ gehen die Sänger hier an Klassiker und neuere Weihnachtslieder heran, verwässern und umspielen, ohne dass die Grundstruktur verloren geht. Insofern: Gratulation zum passenden Cover!



Zum Schluss darf natürlich ein besonders gelungenes Cover aus der Reihe „Weihnachten mit...“ nicht fehlen. Hier verbindet sich das beliebte Konzept des unscharfen Weihnachtsbaums mit unglaublichen Photoshop-Skills.
Wer sich fragt, warum der Tenor Jose Carreras auf seinem fröhlichen Weihnachtsalbum so unerfreut und ernst dreinblickt, der sollte den Sänger einmal googeln. Sony hat sich dafür entschieden, ein bereits öfter verwendetes Porträt des Tenors einfach weihnachtlich anzupassen. Warum auch nicht, einen weißen Feiertagsanzug hat er schließlich schon an. Dass man bei dieser Gelegenheit auch die Mundwinkel des Stars hätte nach oben photoshoppen können, sei an dieser Stelle nur ein gut gemeinter Rat. Aber vielleicht kann von solch fortgeschrittenen Kunstwerken dann an dieser Stelle im nächsten Jahr berichtet werden!

© BR/Signum/Sony/Pixabay


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