In Verdis Shakespeare-Oper „Otello“ wird der Titelheld ganz böse in die Irre geführt: Der intrigante Jago überzeugt Otello mit verschiedenen Tricks von der vermeintlichen Affäre seiner schönen Frau Desdemona. Schließlich kochen bei Otello Rachelust und verletztes Ehrgefühl über und er erwürgt seine Frau im Schlafzimmer. Als das Missverständnis wenig später auffliegt, erdolcht sich Otello an der Seite seiner toten Desdemona, während Jago fliehen kann.
Wie sind die Verbrechen in dieser Oper juristisch zu bewerten?
Otello hat sich eines Mordes aus niedrigen Beweggründen schuldig gemacht (§ 211 II Alt. 5 StGB). Der Strippenzieher dahinter, Jago, hat sein Ziel erreicht: die Vernichtung Otellos. Er ist dabei zwar weitgehend im Hintergrund geblieben, muss aber dennoch seine gerechte Strafe fürchten: Zwar hat Jago Otello manipuliert und durch seine Lügen in den Wahnsinn getrieben, dies ist aber nicht ausreichend, um ihn als Anstifter (§ 26 StGB) zum Mord an Desdemona zu verurteilen. Denn letztendlich hat Otello den Entschluss, Desdemona zu töten, selbst getroffen. Weil Jago ihn aber in seinen Mordplänen unterstützt und ihn ermutigt hat, wird er wohl wegen Beihilfe (§ 27 I StGB) verurteilt werden, und damit drohen ihm mindestens drei Jahre Freiheitsstrafe (§§ 211 I, 27 II, 49 I Nr.1 StGB).
Außerdem hat er sich wegen einer üblen Nachrede strafbar gemacht, indem er wahrheitswidrig gegenüber Otello angedeutet hat, dass Desdemona mit Cassio fremdgeht (§ 186 StGB). Diese Tat wird mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft. Sie wird jedoch nur verfolgt, wenn Desdemona und Cassio einen entsprechenden Strafantrag stellen, § 194 I S. 1 StGB. Diesen Antrag können nach Desdemonas Tod nun ihre Angehörigen stellen, §§ 194 I S. 5, 77 II StGB.
Auch wegen des Handgemenges und der Verletzung Montanos am Hochzeitstag Otellos kann man Jago bestrafen: Cassio verwundete Montano, war zu dem Zeitpunkt aber wohl bereits zu betrunken, um noch schuldfähig zu sein (§ 20 StGB) und kann nur wegen Vollrauschs verurteilt werden (§ 323a StGB). Jago hat Cassio überredet, sich zu betrinken, und ist somit als Anstifter zum Vollrausch zu bestrafen (§§ 323a, 26 StGB), wofür ihm bis zu fünf Jahre Gefängnis drohen (§ 323a I, 26 StGB).
Richtig drankriegen kann man Jago vor allem wegen versuchten Mordes an Cassio, den er mit Rodrigo geplant hat und damit mittäterschaftlich begangen hat (§ 211 II Alt 5, 25 II, 23 I, 22 StGB). Immerhin dafür droht ihm eine lebenslange Gefängnisstrafe (§ 211 I, 23 II StGB).
(Jessica Krüger, Bucerius Law School Hamburg)