Ein unbehagliches Fremdheitsgefühl bei der Begegnung mit zeitgenössischer Musik 107 haftet seit über hundert Jahren nachhaltig an den Synapsen des kollektiven Hörergedächtnisses. Das Trio Catch geht mit bezwingender Unkompliziertheit gegen den Klischeekleber vor. Die charismatischen Hamburgerinnen suchen Publikumskontakt, führen selbst in die Werke ein und stellen ihre Interpretationen zur Diskussion.
Seine zweite CD hat das Trio mit der ungewöhnlichen Besetzung Klarinette + Violoncello + Klavier nach dem altbewährten Sandwich-Muster gestrickt: Neue Musik am Anfang, neue Musik am Ende, und in der Mitte lockt der Repertoireschinken – das Klarinettentrio op. 114 in a-Moll von Johannes Brahms. Insgesamt erfordert das 54 Minuten genaues, konzentriertes Zuhören. Es lohnt sich.
Neue Musik tut weh. Unverstanden und von einer Vielzahl romantischer Musikfans in den Elfenbeinturm des Elitarismus verstoßen, vegetiert sie als „Stiefkind der Klassik“ vor sich hin. Doch die modernen Nachfahren von Beethoven und Schönberg sollte man nicht unterschätzen– Avantgarde hat ihre Gründe. (AJ) ↩
Zuerst müssen sich die Hörer durch „Sanh“ von Christophe Bertrand kauen, oder eher: kauen lassen. Vom Chaos der umherschwirrenden Klavierakkorde umspült, sinken Cello und Bassklarinette wie gelähmt auf den Grund des trüben harmonischen Flussbetts. Eine verunsichernde, packende Ouvertüre!
Das Brahms-Trio beginnt merkwürdig diffus. Vor allem die Phrasenenden klingen am Anfang verwaschen. Die Musikerinnen finden aber schnell zusammen. Im Ganzen funktioniert die Interpretation des Trios wunderbar. Sie bringt all die kleinen harmonischen Ungereimtheiten und raffinierten rhythmischen Irritationen zum Vorschein, die andere Ensembles über ihr Melodienschwelgen oft vergessen.
Bernhard Lang hat das Brahms-Trio für seine „Monadologie XXVII“ mit Hilfe eines Computerprogramms in winzige Einzelteile zerpflückt und lässt es in drei Brahms-Variationen Takt für Takt wieder auferstehen. Das Trio Catch interpretiert das Herumpuhlen in der kompositorischen DNA des alten Meisters sehr genau und erschließt damit einen faszinierenden mikroskopischen Blick auf das Werk.
Diese CD ist ein Beweisstück. Sie zeigt, dass eine geschickte Dramaturgie und eine von der Liebe zur Sache geleitete Interpretation mehr über Musik sagen können als jedes noch so gehaltvolle Programmheft. Unakademisch und 100% kitschfrei. Ziemlich catchy eben.
© Hieu LaVoce