Von Jesper Klein, 14.05.2019

Streifzüge

Das Stefan Zweig Trio erschließt mit einem interessanten Debüt selten gespieltes Repertoire: Korngold und Zemlinsky, Wien zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Aber was macht das Zebra auf dem Cover?

Wenn in der Klassik von Wunderkindern die Rede ist, sorgt das heute eher für müdes Lächeln als für echte Begeisterung. Was Erich Wolfgang Korngold aber als sein erstes Werk überhaupt aufs Notenpapier brachte, das kann sich sehen lassen. Sein Klaviertrio 255 in D-Dur klingt ausgereift, nach jahrelanger kompositorischer Erfahrung. Überhaupt nicht wie das Werk eines 13-Jährigen, das seinem „lieben Papa“ gewidmet ist. Ähnliches dachte sich wohl auch das Stefan Zweig Trio. Auf ihrer Debüt-CD kombinieren die Musiker das Werk des frühreifen Komponisten mit einer anderen stiefmütterlich behandelten Komposition: dem d-Moll-Trio op. 3 von Alexander von Zemlinsky.

  1. Drei Musiker spielen zusammen, schon sind sie ein Trio. Ob Klaviertrio mit Klavier, Geige und Cello – die wohl bekannteste Trio-Formation – oder drei Alphörner: Der Begriff Trio ist da recht flexibel. Neben der Besetzung benennt er auch die Werke an sich: Ein Klaviertrio spielt ein Klaviertrio. Verwirrend? Nicht wirklich. (AV)



Zu erklären, warum es dieser Komponist nun in den Kanon der Kammermusik geschafft hat und jener nicht, ist immer mühsam. Vielleicht ist die Kammermusik von Zemlinsky und Korngold vergessen, weil sie sich gerade auf der eigentlich reizvollen Schnittstelle zwischen brahmscher Romantik 179 und den neuen Techniken der Zweiten Wiener Schule 187 bewegt. Das Wien der Jahrhundertwende klingt ein bisschen nach Strauss, ein bisschen nach Schönberg, ein bisschen anstrengend.

  1. Die Musikepoche des Schmachtens und des Kitsches: Aber halt, es kommt immer auf den Interpreten an. Hier wird, vorwiegend im 19. Jahrhundert, der Ausdruck individueller Gefühle immer wichtiger. Gut gemacht, geht diese Musik sehr tief zu Herzen. Bekannte Vertreter: Schumann, Tschaikowski, Brahms und viele mehr. (MH)

  2. Gehört ein Komponist zu einer der beiden Wiener Schulen, ist das ein Gütesiegel sondergleichen. In der ersten Wiener Schule bereiteten Haydn und Mozart der Wiener Klassik den Weg. Später dann schufen die Komponisten um Arnold Schönberg hier die Grundlagen der Zwölftonmusik. So viel musikalischer Fortschritt in einer Stadt ist einmalig! (MH)

Dass das junge Trio überhaupt erst das zweite ist, das die naheliegende Kombination aus Korngold und Zemlinsky einspielt, ist schon traurig. Und für ein Debüt bemerkenswert. Man mag es drehen und wenden – vom Wien des Fin de siècle in die afrikanische Savanne, von Zemlinsky zu Zebra ist es ein ziemlich weiter Sprung. Zu weit sogar? Doch vielleicht braucht die Wiedererweckung dieser Musik gerade ein solch ungewöhnliches Cover, das nach Aufmerksamkeit schreit. Tiere ziehen bekanntlich immer, zum Beispiel Vögel oder Füchse. Tatsächlich ist die Analogie von Zebrastreifen und Klaviertasten eine originelle Idee, die sogar im Booklet weitergeführt wird. Da findet man nämlich die Streifen, die dem armen Tier auf dem Cover aus unerklärlichen Gründen abhanden gehen. Was das nun verbildlichen soll, ist nicht wirklich klar. Lösen sich die Streifen vom Zebra hier wie die Komponisten von der Tonalität? Oder geht es um Transformation? Ursprünglich war Zemlinskys Klaviertrio ein Klarinettentrio, der Komponist belegte mit ihm beim Kompositionswettbewerb für österreich-ungarische Komponisten im Jahr 1896 – in der Jury: Johannes Brahms – immerhin den dritten Platz.

Voller Vibrato und Leidenschaft

Wie auch immer. Sibila Konstantinova, Kei Shirai und Tristan Cornut spielen hochgradig expressiv, ihr Klang ist voller Vibrato 186 und durchaus scharf, ab und an wünscht man sich etwas mehr Wärme. In Korngolds Trio machen sie die Vortragsbezeichnungen wunderbar hörbar. „Wie aus der Ferne“ heißt es da, „sich aufraffend“ oder „leicht und luftig“. Für Zemlinskys Trio ist Leidenschaft die entscheidende Vokabel. Im kreisenden Rondo jagt das Zebra, um im Bild zu bleiben, scheinbar seinen eigenen Schweif. Am Ende ist die Cover-Frage zwar nicht wirklich beantwortet, klar ist aber: Dieses besondere Debüt-Album klingt alles andere als nur schwarz und weiß.

  1. Dieses wunderbare Schwingen des Tones macht die Noten eines Sängers oder eines Streichinstruments erst zu Musik! Durch geringfügige Frequenzänderungen scheint der Ton zu leben. In der klassischen Musik eine der weitverbreitetsten Spieltechniken. Aber Vorsicht, es gibt auch Werke, da ist weniger mehr. (MH)


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Erich Wolfgang Korngold, Alexander von Zemlinsky

Klaviertrios

Stefan Zweig Trio

Ars Produktion/ Note 1

© Pixabay
© Coverfoto: shutterstock


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