Von Sebastian Herold, 02.01.2019

Auf Augenhöhe mit Beethoven

Die belgischen Musiker Lorenzo Gatto und Julien Libeer spielen Beethovens Violinsonaten – und stellen sich auf dem CD-Cover in eine Reihe mit einer Büste des Komponisten. Was steckt dahinter?

Nicht nur in Bonn und Wien finden sich diverse – aus heutiger Sicht nicht immer geschmackvolle – Zeugnisse der enormen Bewunderung, die Ludwig van Beethoven entgegengebracht wurde: Denkmäler, Statuen, Büsten. Eine solche bronzene Kopf-Skulptur haben sich 2016 die belgischen Musiker Lorenzo Gatto und Julien Libeer geschnappt und in ihre Mitte gestellt. Und so das Cover der ersten Folge ihrer Einspielungen der Violinsonaten von Ludwig van Beethoven gestaltet. Zugegeben, die Aufmerksamkeit in den digitalen wie analogen Plattenläden sichert sich das Duo nicht zuletzt aufgrund der dezenten Ähnlichkeit der Lockenköpfe Libeers und Beethovens. Doch es steckt mehr in dieser Cover-Komposition.

So fällt zum Beispiel auf, dass die größer erscheinende Person ganz vorne Julien Libeer ist – also der Pianist. Der Geiger Lorenzo Gatto bleibt dagegen im Hintergrund. Ein Verweis auf die Gattungsgeschichte der Violinsonate? Immerhin stand in den Duosonaten des 18. Jahrhunderts für gewöhnlich das Klavier im Zentrum. Die begleitende Geige erweiterte das Klangspektrum, konnte aber auch weggelassen werden. Doch schon Mozart verwirklichte in seinen späteren Sonaten die Gleichberechtigung der beiden Instrumente. An dieses Vorbild knüpfte Beethoven bereits an, auch wenn seine frühen Sonaten noch entsprechend der Publikumserwartung als Sonaten für „Klavier und Violine“ betitelt sind.

Hier also zur Abwechslung: „Pianist first“?

Oder setzen die beiden Musiker hier vielmehr einen bewussten Kontrast zu CD-Covern anderer Einspielungen derselben Werke? Immerhin offenbart eine kurze Recherche, dass Duopartner gerne relativ uninspiriert gemeinsam abgelichtet werden – oder aber nach wie vor insbesondere junge Geigerinnen alleine auf dem Cover platziert werden. Hier nun also einmal zur Abwechslung: „Pianist first“?

Außerdem zeigen die Musiker einen erfrischenden, spielerischen Umgang mit dem Mythos Beethoven und den Formen, die seine Verehrung angenommen hat. Libeer und Gatto rahmen den Komponistenkopf ein, begeben sich wortwörtlich auf Augenhöhe mit ihm. Sie entfernen die Büste aus dem Kontext, in dem sie ehrfürchtig betrachtet wird oder als erstarrt erscheint, und werfen gleichzeitig einen ironischen Blick auf Beethoven: als umjubelten Musiker einerseits, der in Granit, Gips oder Bronze verewigt werden sollte – und andererseits als Mensch wie jeder andere, neben dem man sich in dieser Hinsicht problemlos einreihen kann.

Gleichberechtigte Partner auf höchstem Niveau

Ihre Gesamteinspielung, von der im Sommer 2018 die zweite Folge erschienen ist, beginnen die beiden Musiker selbst- und geschichtsbewusst mit der „Kreutzer“-Sonate op. 47, mit der Beethoven Befremden wie Bewunderung hervorrief, aber letztlich die Entwicklung der Violinsonate nachhaltig beeinflusste. In diesem 1802 und 1803 entstandenen, ungewöhnlich umfangreichen und virtuosen Werk vereinigt Beethoven die Gattungen Sonate und Konzert; Klavier und Geige sind gleichberechtigte, gemeinsam auf höchstem Niveau konzertierende Partner.

Auch Gatto und Libeer erweisen sich als solche Partner auf ihrer Einspielung, auf der sie chronologisch rückwärts blickend außerdem die a-Moll-Sonate op. 23 (das Schwesterwerk der berühmteren „Frühlings“-Sonate op. 24) und die Sonate op. 12 Nr. 2 präsentieren. Ihre Interpretation ist stets entschieden, vermeidet aber Extreme. Das Ergebnis ist Ausgewogenheit im besten Sinne, ohne dass man Kontur vermissen würde. Und zusammen mit dem glasklaren Klang der Aufnahme macht Gattos schlanker Geigenton ebenso wie Libeers transparentes Klavierspiel Lust auf die übrigen Sonaten. Dazu ein ungewöhnliches Cover als Visitenkarte: sicher nicht die schlechteste Art, Bewunderung auszudrücken.


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Ludwig van Beethoven

Beethoven. Violin Sonatas Nos 9 ‚Kreutzer‘, 4 & 2

Lorenzo Gatto, Julien Libeer

Alpha



© Cover: Jean-Noël Dumont
© pixabay


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