Die Aufgabe, eine kurze und dabei doch sehr persönliche Playlist zusammenzustellen, überfordert wohl die meisten Menschen, mich eingeschlossen. Streaming-Dienste und Klassik-Stars wollen uns deshalb dabei helfen. Noch nie gab es so viele Hörempfehlungen und Wegweiser auf dem Weg zum eigenen Geschmack. In einem Gespräch mit dem VAN-Magazin hielt Mathias Spahlinger kürzlich ein Plädoyer gegen solch kuratierte Playlists. Sie würden die Komplexität der meisten Werke reduzieren, noch dazu seien sie reine Selbstdarstellung der Kurator*innen. Ich gebe Spahlinger – zumindest teilweise – Recht: Playlists sind oftmals „einfach“ gestrickte Musikvermittlung, dazu kommt dann immer auch ein gehöriger Anteil an Selbstinszenierung. Ich stehe dem Prinzip Playlist also durchaus kritisch gegenüber. Aber: In den letzten Jahren konnte ich durch sie fantastisches und ungeahntes Repertoire kennen lernen, gerade weil ich dem mir jeweils fremden Musikgeschmack vertraut habe. (Ich war zumindest stets bemüht.)
Das größte Hindernis auf der Suche nach der perfekten und persönlichen Playlist ist die extreme Bandbreite des virtuellen Plattenschranks. Wie wählt man aus zwischen unzähligen Genres, verschiedenen Interpretationen, Langzeit-Lieblings-Künstler*innen und gerade neu entdeckten Bands? Im Idealfall hat das Ganze dann noch einen dramaturgisch stringenten Faden. Hier stoße ich an meine Grenzen. Ich versuche, bezüglich meiner Hörgewohnheiten ehrlich zu sein, durchforste meine Festplatte und all die fremd kuratierten Playlists in meinem Spotify-Account. Was davon sind wirklich meine all-time-Favorites? In Sachen Musik bin ich ein kleiner Dramatiker. Die folgende Playlist ist also genau so, wie ich es gerne mag: kitschig, schnulzig, pathetisch.
Ich beginne mit Tschaikowskis „Pathétique“. Sein kompositorischer Abschied im vierten Satz übersteigt für mich jede zu erwartende Emphase. Die vieldiskutierte Einspielung von Teodor Currentzis treibt das Spiel in extreme Dimensionen, die technische Bearbeitung ist (leider) nicht zu überhören. An die Grenzen des Möglichen tastet sich auch Carlo Gesualdo in seinem Madrigal „Moro, lasso“. Die subtile Chromatik bietet hier die große Geste im ganz Kleinen. Giacomo Puccini fährt in der „Tosca“ noch größer auf, ebenso Benjamin Britten mit den monströsen Paukenschlägen am Beginn seiner „Sinfonia da Requiem“. Allein große Gesten machen noch keine Musik, sie sind nur ein Teil des Ganzen. Das Gegengewicht übernehmen in dieser Playlist deshalb Tom Waits („`Cause Falling In Love Just Makes Me Blue“) und Johann Sebastian Bach: Die Ausdehnung der Choralparaphrase ins Absolut-Unendliche verschafft ihm den Platz in dieser Playlist. Im Weltschmerz stehen mir Paul McCartney und die Dire Straits zur Seite – und nur Gustav Mahlers Trompetenchoräle holen mich da wieder raus.