Von Malte Hemmerich, 21.04.2018

ECHO in den Keller!

Nach der Auszeichung von Rappern mit minderheitenfeindlichen Texten fühlen sich vor allem Klassik-Künstler verantwortlich, ihren Preis zurückzugeben. Aber ist ECHO gleich ECHO?

Der Musikpreis ECHO ist mittlerweile ganz unten angekommen. Das öffentliche Bashing lässt nicht ab, und inzwischen beginnen auch erste Sponsoren, sich zurückzuziehen. ECHO-Witze sind der neue Running-Gag. Künstler distanzieren sich, Orchester löschen die Auszeichnung aus ihren Biografien und von ihren Websites oder schicken sie gleich ganz zurück. Einige haben eine vermeintlich sinnvollere Funktion für ihre Trophäe gefunden. Auf der Toilette.

Das junge PODIUM Festival Esslingen, das hier so vergnügt auf den hate train aufspringt, hat seine Trophäe zwar bisher noch nicht zurückgesandt, doch lässt sich insgesamt feststellen: Besonders Klassik-Künstler waren schnell bei der Hand, als es um die Rückgabe der Preise ging. Wir können also stolz sein, dass zumindest Enoch zu Guttenberg, Igor Levit und das Notos Quartett noch den Mumm und das gesellschaftliche Engagement beweisen, sich öffentlich zu äußern und den Worten auch Taten folgen zu lassen. Die Klassik macht anscheinend wirklich bessere Menschen aus uns.
Doch halt. Hier geht es ja um den ECHO Klassik, der nach anderen Kriterien, von einer anderen Jury vergeben und in einer ganz anderen Veranstaltung überreicht wird. Klar ist das Siegel dasselbe und auch die Verleihungs-Gala hier wie da oft peinliche Häppchenkultur. Aber während der ECHO Pop ironischerweise erst dieses Jahr eine Jury hinzuzog, um über die Verkaufszahlen hinaus Kriterien für die Vergabe zu entwickeln, zählt beim ECHO Klassik schon seit Jahren allein das Jury-Votum. Ein minderheitenbeschimpfender Daniel Hope oder eine verbalrandalierende Anne-Sophie Mutter etwa wären von diesem zahlenmäßig übersichtlich besetzten Gremium wohl recht schnell aussortiert worden.

Der Symbolakt von Pianisten und Klavierquartetten wird jene Menschen, die dadurch zum ersten Mal von diesen Musikern hören, kaum dazu anregen, über ihren Musikgeschmack nachzudenken.

Ein bisschen seltsam auch, wie viele Künstler die Vergabe und den Wert des Preises im Nachhinein ideell verklären: Der ECHO Klassik funktioniert als Marketing-Instrument gut, hat aber sonst in der Branche aufgrund seiner in Eigeninteressen verwobenen Auslobung durch die Musikindustrie nicht unbedingt den besten Ruf. Das Notos Quartett bekommt nun mit der Rückgabe mehr Presse als damals zur eigentlichen Preisverleihung. Einen Schrei nach Aufmerksamkeit sollte man den Künstlern nicht unbedingt unterstellen, Igor Levits Entscheidung ist auch aufgrund seiner persönlichen Familiengeschichte nachvollziehbar.

Aber dennoch: Was hat es für einen Sinn, die Trophäe beleidigt und bestürzt, mit großem Trara an die Verleiher zu senden? Denn dass der ECHO Klassik eine Sonderrolle einnimmt, zeigen nicht zuletzt die Massen an Artikeln, in denen sich Autoren fragen, wo der Aufschrei der jungen Preisträger bleibt. Notos und Levit hat man dabei schlichtweg nicht auf dem Schirm. ECHO ist eben nicht gleich ECHO. Genauso wenig wird der Symbolakt von Pianisten und Klavierquartetten jene Menschen, die dadurch zum ersten Mal von diesen Musikern hören, dazu anregen, über ihren Musikgeschmack nachzudenken. Wohl eher werden die Klassiker in den Augen der jungen Farid Bang-Hörer nur ihrem spießigen Besserwisserstatus gerecht. Wohlwissend, dass es hier keine Schnittmenge der Fans gibt, ist das Zurückgeben der Trophäe für die Klassikstars sogar ein einfaches Unterfangen im Vergleich zu solchen Sängern, die ihre Downloader und CD-Käufer wirklich zum Nachdenken bringen könnten: Mark Forster und Co halten zum Beispiel bisher still.
Ist die Rückgabe des Klassik-ECHOs also nur pikierter, verpuffender PR-Quatsch? Pianistin Sophie Pacini richtet in einem wütenden Facebook-Post unter anderem folgende Worte an ihre Kollegen:

Sinnvoller wäre es also, den ECHO in den Keller zu stellen und zu versuchen, eine Debatte abseits der Distanznahme mitanzustoßen: Warum gefällt diese Musik, gefallen diese Texte so vielen jungen Menschen? Und wie ernst nimmt man sie überhaupt, die verhetzenden Worte?
Vielleicht ist es aber auch besser, diese „Künstler“ einfach zu ignorieren wie den Klassenrowdy, der freche Reden schwingt und mit seiner großer Fresse bei vielen gut ankommt. Und das übrigens nicht erst seit gestern, sondern schon viele Jahre.

© pixabay


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