Von Konrad Bott, 08.04.2016

Much Ado About Nothing

„Take All My Loves!“ flüstern die Blumen eindringlich aus dem voluminösen Haar, Während der Sänger selbst in koketter Apathie den Betrachter mustert.

Wo hinsehen? – das ist hier die Frage. Beschämt heftet sich das Auge des Betrachters ans beruhigende Blau des Hintergrunds. Bloß nicht noch einmal in die Mitte sehen! Denn dort lauert der lieblich-stählerne Blick von keinem Geringeren als Rufus Wainwright – Sänger, Songwriter und neuerdings auch Königin von England. Der üppige Spitzen-Stehkragen füllt die Breite der CD. „Take All My Loves!“ flüstern die Blumen eindringlich aus dem voluminösen Haar, während der Sänger selbst in koketter Apathie den Betrachter mustert. Der untypisch zurückhaltende Ausschnitt des elisabethanischen Kleides zeigt ein, zwei, drei Brusthaare; Rouge und Koteletten schmiegen sich verliebt aneinander. Warum so schnippisch? Kann da jemand nicht mit einem geschminkten Mann umgehen? Homophobie etwa? Aber nein, eure Majestät! Hört vielmehr die Worte eines zutiefst ergebenen Untertanen:

Singer-Songwriter haben eine lange Tradition. Früher hießen sie „Minnesänger“ und waren der fleischgewordene Newsfeed für Leute, die es sich leisten konnten. Außer politisch und gesellschaftlich aktuellen Themen hatten diese Musiker allerlei Herzschmerz im Gepäck, der von den Zuhörern begierig aufgesogen wurde. Es waren unsichere Zeiten damals, und wer wollte sagen, das habe sich geändert? Die beruflichen Nachfolger der mittelalterlichen Barden, die Singer-Songwriter also, haben heute Konjunktur, und so scheint es nur zu natürlich, dass sich auch die Deutsche Grammophon – wohlgemerkt einige Jahre nach den englischen Kollegen von Decca – einer Speerspitze dieses Metiers angenommen hat. Rufus rules! Oder so ähnlich ...

Shakespeare-Sonette hat er jetzt einige vertont, er, die Königin von England. Allerdings ist hier nicht nur auf dem Cover etwas derb mit der Brechstange der Mode gearbeitet worden. Natürlich lässt sich Shakespeare mit zeitgenössischer Musik kombinieren, aber hier wird in der Tat das Make-up zum Selbstzweck. Die Musik bleibt, wie das Cover selbst, Travestie – die parfümierte, anachronistisch-schmachtende Selbstinszenierung ist einfach zu viel des Guten. Und warum bekommt man das Gefühl, ein Foto von Wainwright in diesem Dragqueen-Aufzug hätte besser funktioniert? Hat er Angst, sich für die künstlerische Leere seiner eigenen Musik zu verantworten? Fragen, auf die man auch nach dem Genuss der neun Sonett-Vertonungen keine Antworten findet. Die verstecken sich hartnäckig in den rubinroten Puffärmeln. Es ist ein optisch und akustisch halbherziger Versuch, die zeitlosen Sonette Shakespeares mit Musik und Mummenschanz aufzupeppen. Und, so hart es klingt, der wäre auch an unbedeutenderen Literaten zerbrochen.





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