Von Christopher Warmuth, 05.01.2018

Meisterwerk

Es gibt Begriffe, die wir oft verwenden. Automatisch und ohne weiter drüber nachzudenken. Dabei können sie die unterschiedlichsten Bedeutungen in sich tragen, je nach Perspektive und Kontext. In unserer neuen Reihe stellen wird einhundert Fragen, Antworten entstehen (vielleicht) bei Euch Lesenden, zwischen den Zeilen. Den Anfang macht das Meisterwerk.

1. Was ist ein Meisterwerk?

2. Ist es ein meisterliches Werk oder das Werk eines Meisters?

3. Oder beides?

4. Oder nichts von beidem?

5. Also: Was ist ein Meisterwerk?

6. Um wen geht es: den Meister oder um das Werk?

7. Kein Komponist sagt selbst von seinem Werk, dass es ein Meisterwerk ist. Warum?

8. Wer bestimmt, was ein Meisterwerk ist?

9. Die Musiker?

10. Die Komponisten?

11. Oder bestimmt das Publikum, was ein Meisterwerk ist?

12. Ist es arrogant, wenn das Publikum sagt, dass ein gewisses Werk ein Meisterwerk ist?

13. Werden dadurch nicht andere Werke beleidigt, die kein Meisterwerk sind?

14. Was ist das Gegenteil zu einem Meisterwerk?

15. Ein „Fiasko“?

16. Warum gibt es dann heute Meisterwerke, die bei ihrer ersten Aufführung ein Fiasko waren?

17. Kann Musik überhaupt zu einem Fiasko werden?

18. Wo liegt da die Grenze?

19. Ab wann wird ein Meisterwerk zu einem Meisterwerk?

20. Sind Meisterwerke ihrer Zeit immer voraus?

21. Gibt es eine gewisse Zeitspanne, die dann vergehen muss, bevor das Etikett „Meisterwerk“ aufgeklebt werden darf?

22. Wie lange wäre diese Zeitspanne?

23. Und welche Autorität braucht man, um ein Meisterwerk nach einer solchen Zeit als ein Meisterwerk zu benennen?

24. Oder braucht es eine gewisse Anzahl an Menschen, die zustimmen, damit ein Meisterwerk auch wirklich eines ist?

25. Oder sind wir damit auf dem Holzweg und das eigentliche Gegenteil zu einem Meisterwerk ist das „Sklavenwerk“?

26. Wer ist dann der Sklave?

27. Der Komponist?

28. Ist ein Komponist nicht immer ein Sklave?

29. Dann würde ein Komponist dienen. Aber wem?

30. Der Musik?

31. Dem Publikum?

32. Oder gar: dem großen Ganzen?

33. Das klingt nach Kunstreligion. Ist ein Meisterwerk dann die Heiligkeit auf Erden, die wir anbeten?

34. Oder sind die Meisterwerke das Göttliche, also hätten wir mehrere Götter in dieser Religion?

35. Warum müssen wir etwas zum Göttlichen erheben? Ist Musik nicht per se das Göttliche?

36. Vor einhundert Jahren gab es dann andere Götter, also andere Meisterwerke als heute. Gibt es überzeitliche Meisterwerke?

37. Sind alle Meisterwerke gleich meisterlich?

38. Gibt es eine Richterskala der Meisterwerke?

39. Was sind da die Kriterien?

40. Braucht ein Meisterwerk überhaupt Richter?

41. Braucht ein Meisterwerk ein Publikum?

42. Würde man aus dem Meisterwerk einen Ton streichen, würde das jemandem auffallen?

43. Ist es dann noch ein Meisterwerk?

44. Geht es überhaupt um die Töne?

45. „4.33“ von John Cage hat keinen einzigen Ton. Ist es dennoch ein Meisterwerk?

46. Ist „4.33“ überhaupt ein Werk?

47. Jetzt wird es grundsätzlich: Was ist ein Werk?

48. Ok, zu mühselig. Das würde ausarten. Zurück zum Meisterwerk: Gibt es eine Obergrenze an Meisterwerken?

49. Wie hoch wäre die?

50. Was passiert, wenn der Begriff „Meisterwerk“ zu schnell verwendet wird?

51. Wenn wir also sparsam mit dem Begriff umgehen müssen, nochmal: Wie viele Meisterwerke sind möglich?

52. Kann ein altes Meisterwerk für ein neues gestrichen werden?

53. Sind Komponisten Wettstreiter um das beste Meisterwerk?

54. Braucht also ein Meisterwerk eine gewisse Anzahl schlechter Werke, dass es seinen Status behalten kann?

55. Wer übernimmt die Drecksarbeit und kanzelt Werke als schlechte ab?

56. Warum scheuen wir uns eher, Werke als schlecht zu bezeichnen?

57. Ist Lob einfacher als Kritik?

58. Fallen uns mehr Meisterwerke ein oder mehr schlechte?

59. Sind automatisch alle Werke aus dem häufig gespielten Kanon Meisterwerke?

60. Nehmen uns Meisterwerke die Chance, dass wir neue Werke kennenlernen, weil sie häufiger gespielt werden?

61. Kann man ein Meisterwerk zu häufig spielen?

62. Wird ein Meisterwerk, wenn es häufiger gespielt wird, meisterlicher?

63. Oder verliert es dadurch das Meisterliche?

64. Verliert es nur das Meisterliche, wenn es schlecht gespielt wird?

65. Kann man ein Meisterwerk so schlecht spielen, dass es kein Meisterwerk mehr ist?

66. Sind dann nicht vor allem die Interpreten die Sklaven eines Meisterwerkes?

67. Oder sind sie die eigentlichen Meister?

68. Wenn sie doch Sklaven sind, brauchen wir einen musikalischen Gerichtshof, der die Meisterwerke beschützt?

69. Brauchen Meisterwerke Schutz?

70. Können wir Meisterwerke überhaupt beschützen?

71. Haben wir ein Recht dazu?

72. Weil: Wem gehört ein Meisterwerk?

73. Dem Komponisten?

74. Den Nachfahren?

75. Oder uns, der Nachwelt?

76. Wer ist „uns“? Alle Menschen?

77. Müssten wir über Meisterwerke nicht abstimmen lassen?

78. Ab welcher Wahlbeteiligung könnten wir von einem legitimen Meisterwerk sprechen?

79. Kann jeder andere Werke als Meisterwerke bezeichnen?

80. Gibt es überhaupt „das“ Meisterwerk?

81. Warum sind wir so scharf auf den Begriff „Meisterwerk“?

82. Was vereinfacht die Kategorisierung in Meisterwerke?

83. Geben wir unsere eigene Autorität ab, wenn wir jemandem glauben, dass ein gewisses Werk ein Meisterwerk ist?

84. Müssen wir ein ausgerufenes Meisterwerk auf das Meisterliche überprüfen?

85. Bei wem können wir Einspruch gegen die Adelung eines Meisterwerkes einlegen?

86. Ist die Glorifizierung eines Meisterwerkes nicht auch ein Meisterwerk?

87. Wann hat das mit den Meisterwerken angefangen? Was ist denn bitteschön das erste Meisterwerk?

88. Wäre das der musikalische Urknall?

89. Oder ist es eigentlich die Apokalypse?

90. Sollten wir also den Begriff „Meisterwerke“ verbieten?

91. Ist in der Kunst nicht alles erlaubt?

92. Alles?

93. Gibt es Komponisten, denen wir nie ein Meisterwerk erlaubt hätten?

94. Kann ein Werk eines nationalsozialistischen Komponisten ein Meisterwerk sein?

95. Ist ein Meisterwerk von seinem Meister zu trennen?

96. Können wir überhaupt alles über Komponisten wissen?

97. Dürfen wir so viel Wissen verlangen? Sind Komponisten Privatpersonen?

98. Können sich Komponisten dagegen wehren, wenn andere ihre Werke als Meisterwerke bezeichnen?

99. Wer verlangt nach dem Begriff „Meisterwerk“?

100. Gibt es überhaupt Meisterwerke?

© Pixabay


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