Der Bariton Thomas Oliemans und sein Pianist Paolo Giacometti präsentieren neben der “Dichterliebe” zwei weitere Liederzyklen Schumanns: „Sechs Gesänge“ op. 89 und „Sechs Gedichte und Requiem“ op. 90. Der Aufhänger ist ein Stereotyp, schon im Titel springen die beiden auf den Schumann’schen Rezeptionsboom auf.
Der Komponist erfand Fantasiefiguren – Florestan (der Hochgemute), Eusebius (der Melancholische) und Raro (der Vermittler) –, die in literarischen Skizzen und in Musik heftig miteinander streiten, bis Raro als schlichtende Instanz zu einer Lösung verhilft. Davon kann bei Oliemans nicht die Rede sein, er besingt lediglich die Extreme. Vermittlung? Fehlanzeige. Der Hörer muss selbst nach Auswegen suchen oder das Chaos akzeptieren .
Die Wattebausch-Akustik hüllt die lodernde Stimme ein, erdrückt jegliche Farbe und Textur. Das macht es beinahe unmöglich, dass der Hörer selbst in die Rolle von Raro treten kann. Das Duo Oliemans und Giacometti verzichtet bei der „Dichterliebe“ aber auch auf das Groteske, die spitze Ironie, die Heinrich Heine in den Texten andeutet, Schumann herauswerkelt und ausdifferenziert. Im elften Lied „Ein Jüngling liebt ein Mädchen“ musiziert Oliemans allerdings munter und ungerührt drauf los, als ob zu einem Tänzchen aufgespielt wird. Bei ihm hört man das Lied, ohne auf die Worte zu achten und es beschließt in dem Glauben, dass es sich um eine optimistische Darstellung draufgängerische Liebe handelt.
Hier wird eine ganze Portion Schumann verschenkt. Da will ein Jungspund ein Mädel, die einen anderen will, der wieder eine andere will, worauf das Mädel trotzig einen ganz anderen will. Wenn Heine zu seiner bitteren Schlusspointe, „dem bricht das Herz entzwei“, ansetzt, ist der Komponist eigentlich schon wieder auf dem doppelten Boden des Optimismus; die Welt tanzt über den einzelnen hinweg, der zu zerbrechen meint. Erst wenn alles verklungen ist, gibt er den Hörern Gelegenheit zu realisieren, was da „passiert“ ist – Heine im Quadrat! Die Platte ist eher Heine light.