Von Robert Colonius, 09.12.2016

Marke Eigenbau

Jetzt also auch noch ein eigenes Klavier. „Bahnbrechend“, eine „echte Alternative zum Steinway“ soll es sein. Daniel Barenboim hat auf einem von ihm selbst (und Chris Maene) entwickelten Flügel ein Album aufgenommen und führt uns neben dem neuen Instrument noch etwas anderes vor: Man unterschätzt ihn pianistisch nur allzu leicht.

Es ist schon so eine Sache mit Daniel Barenboim. Der macht keinen Hehl aus seinem Erfolg und seiner fast absurden musikalischen Begabung. Er ist gewiss der mächtigste Klassikmogul dieser Tage, Dirigent, Förderer, Friedensbotschafter, Autor schrecklich überflüssiger Bücher – und eben Pianist. Als solcher hatte er auch seine Karriere begonnen. Seitdem Barenboim sich zusätzlich dem Dirigentenpult verschrieben hat, lässt er allerdings das Klavier manchmal ein wenig links liegen.
Zunächst zum Flügel selbst: So revolutionär, wie Barenboim es wohl gerne hätte, klingt dieser Tastenkasten nicht. Eher etwas antiquiert. Doch zum glatten, homogenen Klang eines heutigen 08/15-Steinways stellt der Flügel Marke Barenboim mit rauem, „interessantem“ Ton vielleicht wirklich eine Alternative dar.

Barock zur Erbauung

Barenboim nimmt sich für dieses Album einige Klavier-Evergreens vor (aber nicht „Für Elise“ und Co.). Es fängt harmlos an: Drei der Sonaten von Domenico Scarlatti, spätestens seit Vladimir Horowitz ein beliebter Zeitvertreib für Pianisten, spielt Barenboim ohne akademische Strenge, dafür mit Finesse und einem fast improvisatorischen Sinn für Tempo und Artikulation. So werden aus den barocken Miniaturen quirlige Organismen.



Beethovens vertrackte c-Moll-Variationen klingen oft wie eine Sammlung von Klavierübungen, vielleicht waren sie auch so gedacht. Terzen, Sexten, Oktaven, Skalen – das Thema und der Pianist müssen schon einiges über sich ergehen lassen. Und obwohl Barenboim diese ganzen Noten spielt, merkt man doch, dass er an seine manuellen Grenzen stößt. Da können Barenboims überwältigende Musikalität und Gestaltungsfähigkeit nicht verhindern, dass die Variationen insgesamt zu behäbig daherkommen.

Ein wenig besorgt schaut man auf das restliche Programm des Albums: Frédéric Chopins ewige Ballade in g-Moll, dazu Franz Liszts „Funérailles“ und der erste „Mephistowalzer“, allesamt hoch anspruchsvolle und fingerbrechende Klavierliteratur. Doch wer sich nun in Erwartung einer stümperhaften Darbietung Barenboims voller Schadenfreude die Hände reibt, der wird „enttäuscht“. Sicherlich, ohne ein paar Kratzer und Dellen gelingen Barenboim diese Werke nicht. Aber etwa die Coda der Ballade, die grausamen Oktaven der linken Hand in den „Funérailles“ (übrigens tausendmal schwieriger als eine ähnliche Passage in Chopins berühmter „Heroischen Polonaise“) sowie die wilden Ausbrüche von „Mephisto“ haben Feuer und Vehemenz, wenn auch im gezügelten Tempo. Barenboim führt stets einen Kampf mit diesen Werk-Ungetümen. Aufregend ist das allemal. Von Glätte jedenfalls keine Spur.



Kein Orchester nötig

Der schönste „Track“ (wenn es schon „Album“ heißt) ist Liszts Transkription des „Feierlichen Marsches zum heiligen Gral“ aus Richard Wagners letzter Oper „Parsifal“. Hier vereint Barenboim seine ganze Erfahrung als Dirigent der Werke Wagners. Selbst wenn man mit dem religiösen Pathos des „Bühnenweihfestspiels“ eigentlich nichts anzufangen weiß, berührt die innige Ruhe und majestätische Wucht, die Barenboim auch ganz ohne Orchester erzeugen kann. Neues Super-Klavier hin oder her. Es ist der Pianist, der den Ton macht.




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Domenico Scarlatti, Ludwig van Beethoven, Frédéric Chopin, Richard Wagner, Franz Liszt

On My New Piano

Daniel Barenboim

Deutsche Grammophon

© Lauren Hurley/PA


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