Die künstlichen Klänge in Edgar Varèses „Poème électronique – Elektronischem Gedicht“ prasseln von allen Seiten auf die Hörer ein. 350(!) Lautsprecher hängen an der Decke eines Pavillons, den die Besucher verwirrt durchschreiten: Wann wo sein, wohin hören? Zudem wird parallel ein Film mit ausgewählten schwarz-weiß Fotografien abgespielt, die abstrakt verschiedene Seiten der menschlichen Existenz skizzieren - Eine Frau hält ein Baby in den Armen. Wohin schauen?
Ist es der „gemeine Kulturgenießer" an sich gewohnt, in Ruhe seinen Platz einzunehmen, sich während des Konzertes passiv beschallen zu lassen, sich während der Filmvorführung von den Bildern berieseln zu lassen, so muss er nun selbst Entscheidungen treffen, um aktiv zum Teil eines multimedialen Ereignisses zu werden.
Diesem Credo folgend schreibt Varèse 1958 seine elektronische Musik anlässlich der Weltausstellung in Brüssel. Während sich ein durch Krieg geteiltes Europa gerade neu sortiert und die Menschen in Angst vor dem atomaren Overkill leben, findet Varèse seine künstlerische Erlösung gerade in der technologischen Entwicklung. Zusammen mit dem Architekten Le Corbusier entsteht eine große Einheit aus Architektur, Technik und Klang. Acht Minuten dauert das gemeinsame Gesamtkunstwerk. Acht Minuten für die Le Corbusier einen eigenen Pavillon konzipiert, der ein Jahr nach der Weltausstellung abgerissen wird. Gebunden an den Aufführungsort ist Edgar Varèses „Poème électronique” somit für alle Zeit verloren.
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