Schatzsucher graben, damit sich ihre eigenen Hosentaschen füllen. Das, was ausgebuddelt wird, steigert lediglich den eigenen Kontostand. In der Musik ist das gottlob anders, wenn irgendetwas ausgegraben wird, dann bringt es in erster Linie kein Geld, sondern Erkenntnis. Und die muss geteilt werden. Der Musikwissenschaftler John H. Roberts entdeckte in der Sammlung von Ton Koopman, dem niederländischen Cembalist und Dirigent, eine bislang unbekannte Kantate von Georg Friedrich Händel, die jetzt in Form einer Weltersteinspielung geteilt wird: „Tu fedel? Tu costante“. Unter „HWV 171a“ wurde das Fundstück in den Händelschen Fundus aufgenommen, ohne „a“ gibt es dort schon einen gleichnamigen Eintrag. Händel vertonte den Klagetext zweimal – zweimal komplett unterschiedlich, denn als die Aufführung zur damaligen Zeit in Sicht war, fehlte ihm die Erstkomposition. Er hatte die Partitur auf einer Reise in Norditalien vergessen. Somit: alles auf Anfang!
Vier Paare aus jeweils einem Rezitativ und einer Arie erzählen von einer betrogenen Liebenden, die wütet und tobt, klagt und weint, um sich schließlich aufzumachen, einen Neuen zu suchen. HWV 171, trotzig mit Happy End, wurde im Mai 1707 vollendet, HWV 171a, tiefbetrübt mit bitterem Ausgang, Ende 1706. Yetzabel Arias Fernandez übernimmt den Part der Verlassenen, lässt die Zeit in der dritten Arie „Se non ti piace amarmi“ stillstehen, um sich am Ende vollends der Enttäuschung hinzugeben. Ihre Stimme purzelt gelassen über die Vorschläge hinweg, springt dann beherzt in die Höhe und schleift die Phrasenenden mit Nachdruck ab. Ton Koopman und das Amsterdam Baroque Orchestra musizieren so leicht und luzide, dass dieses Auf und Ab ewig so weitergehen könnte. Doch dann perlt das Cembalo knackig dazwischen, bevor das Leid die Szene wieder übernimmt. Tiefbetrübt und hocherfreut erwartet man so den nächsten Schatz aus dem Fundus von Koopman.