Von Konrad Bott, 18.07.2016

2000°-Improvisation

Designer Philipp Weber zeigt mit „A Strange Symphony“, dass musikalische Improvisation und Handwerk oft näher beieinander liegen, als man denkt.

Glas hat seinen eigenen Willen. Wie weit kann ich gehen, bis die Kugel fällt?

Improvisieren ist nicht immer einfach. Besonders dann nicht, wenn am Instrumentenende 2000° Celsius herrschen. Die Lippen am Ventil, Schweiß auf der Stirn, die Augen wachsam auf den glühenden Ball gerichtet. Glas hat seinen eigenen Willen. Wie weit kann ich gehen, bis die Kugel fällt? Hitze und Spanung müssen erdrückend sein, an diesem Abend im National Glas Museum Leerdam. In der Performance „A Strange Symphony“ schaffen die Glasbläser Christophe Genard und Emil Kovac zusammen mit Cellist Ernst Reijseger eine beeindruckende Synthese von Musik und Handwerk. Genard und Kovac drücken Ventile, die an eine Trompete gemahnen, pusten dabei mit vollen Lungen in den eigenartigen schönen Quartzbatzen, rubbeln ihn ab, verändern mit liebevollem Respekt seine Form. Währenddessen kommentiert Reijseger das Geschehen musikalisch, zupft, hackt und streicht über die Saiten, summt in Erwartung und schreit vor Entsetzen. Die ganze Dramatik des künstlerischen Schöpfungsprozesses mit all seinen (Fehl)Entscheidungen könnte deutlicher nicht werden.



Initiiert hat das Projekt der Münchner Designer Philipp Weber, der auch für das modifizierte Glasbläserinstrument verantwortlich ist. Während seines Design-Studiums in Eindhoven hat Weber Glasbläserwerkzeug entwickelt und sich intensiv mit diesem ebenso archaischen wie ästhetischen Handwerk auseinandergesetzt. Diese Beobachtung vom Werkzeug und dessen Handhabung haben ihn auf die Idee gebracht, den Glasbläser mit dem Blechbläser zu verbinden: So verleiht er der Glasmacherpfeife Ventile, die es dem Arbeiter ermöglichen, die einzelnen Luftkammern im glühenden Glas durch verschiedenartige Luftzufuhr zu beeinflussen. Abhängig von der Improvisation des Glasbläsers auf den Ventilen verändert sich die Form des Objekts von innen heraus. Die bearbeitete Pfeife gibt zwar keine hörbaren Töne von sich, auf die der Cellist Ernst Reijseger in seinem Part der Performance reagieren könnte. Aber die Improvisationsprozesse von Handwerk und Musik durchdringen sich wechselseitig und werden zu einem musikalisch-gläsernen Gesamtkunstwerk. Dessen erkaltete Ergebnisse scheinen noch den Schwung der Musik festzuhalten – und können sich durchaus sehen lassen.

Für weitere Bilder von diesem Projekt, sowie mehr Informationen, seht euch einfach auf Philipp Webers Website um.


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