Emilio Moreno und Aarón Zapico scheinen zwei sehr liebenswerte Musiker zu sein. Warum sonst sollten sie sich so nett lächelnd und unkünstlich für das Cover ihres neuen Albums „Apocryphal Sonatas“ fotografieren lassen? In einer ganz alltäglichen Situati ... Halt! Vögel? Operationen an der Schädeldecke? Versteckt sich hinter dieser lebensfreudigen Musik eine Horrorgeschichte? Hier stimmt was nicht. Obwohl die Duos so harmlos und erfrischend klingen.
Cembalist und Geiger mussten bei dieser Platte viel arbeiten. Sonaten, die wahrscheinlich, aber nicht unbedingt vom Italiener Luigi Boccherini stammen, haben sie für ihre zwei Instrumente arrangiert. Besonders Geiger Moreno muss dabei als besonders irre aufgefallen sein. Warum sonst sollten gleich mehrere Vögel in seinem Kopf nisten. Ganz teilnahmslos steht der Künstler dort, seine Schädelplatte ist aufgebrochen, süße Meisen haben ein Nest in seinem Gehirn errichtet.
Währenddessen muss Cembalist Zapicos Haartracht bei den Proben zur Aufnahme so zerzaust worden sein, dass die Tierchen gleich mit seinen Haaren als Nest vorlieb nehmen. Der Künstler versucht derweil, sein vom anstregenden Transkribieren durchgeschwitztes Hemd auszutauschen. Aber welches nehmen? Das Blümchenmuster oder doch besser stilsicheres Weiß?
Jetzt aber mal ernsthaft. Suchen wir Anhaltspunkte: Boccherini und Vögel – klingelt da was? Nein. Nach der Recherche kann man sagen, dass einer seiner Quartettmittelsätze einmal Vogelstimmen nachahmt; nicht gerade ein Alleinstellungsmerkmal. Außerdem hat sein Auftragsherr Don Luis in Spanien exotische Vögel gesammelt. Sollten Moreno und Zapico hier also dezent auf ein spannungsgeladenes Verhältnis zwischen Herrn Luis und Komponist anspielen? Wohl kaum. Ebenso wahrscheinlich ist doch, dass sie neue naturwissenschaftliche Studien zitieren, nach denen das menschliche Gehirn der ideale Brutplatz für Vögel wäre.
Hören wir die Musik: Klingt so ein sehr aggressiver Vogelschwarm? Nein, Moreno und Zapico spielen die Stücke nur sehr hart, fast in die Gehörgänge bohrend. Vieles wirkt rau und ungeschminkt, schön bei dieser Musik, die in anderen Interpretationen sonst oft zur plätschernden Tafelmusik verkommt.
Also steht das Cover doch nur für „einen Vogel haben“. Das kann man gut und gerne jedem Künstler unterstellen. Und nun zum Hemd: Genauso wie die Boccherini-Werke keinen sicheren Beweis für seine Urheberschaft haben, schaut Zapico vielleicht einfach nach, ob seine teuren Boss-Hemden keine taiwanesische Fälschung sind. Puh, alles sehr konstruiert.
Vielleicht war es aber auch einfach der Plan, ein wenig sexy klingendes Konzept durch ein Eyecatcher-Cover aufzuwerten, ohne dass das Bild überhaupt eine künstlerische Aussage hat. Nur, um Aufmerksamkeit zu erregen im grauen Cover-Alltag. Wäre irgendwie enttäuschend. Aber naja, es hat funktioniert.