Von Malte Hemmerich, 12.04.2016

Alles nur virtuell

Gustavo Dudamel über die Schulter oder wahlweise direkt ins Gesicht gucken? Alles möglich im „Orchestra VR“-Video der Philharmoniker aus Los Angeles.

Die klassische Musikwelt verpasst Trends, ist behäbig und meist nicht am Zahn der Zeit. Das mag zumindest auf einige Branchenzweige zutreffen. Besonders in der „Social Media“-Welt wirkt vieles, was sich die Szene, insbesondere lokale Konzerthäuser und Co. ausdenken, meist anbiedernd und wenig zielführend, oder wird erst gar nicht angenommen.
Zumindest die US-amerikanischen Klassikbetriebler möchten diese Pleite anscheinend nicht auf sich sitzen lassen, und so präsentieren uns die L.A. Philharmonics mit „Orchestra VR“ ein Video, mit dem wir, zumindest auf Tablet und Smartphone, mitten ins Orchester eintauchen können.



Wer sein mobiles Endgerät bewegt, blickt mal den Celli entgegen, mal direkt ins Blech. Immer wieder wechselt der Standort. Viele Perspektiven können in den drei allseits bekannten ersten Minuten der Sinfonie ausprobiert werden. Nah dran sein, frei, natürlich sieht man mehr Details. Aber die Musik bleibt dieselbe. Mehrwert?

„Beethoven was an innovator - he would love it!“

Amy Seidenwurm (Projektentwicklung, LA Phil)

Bunte Lichtschlangen winden sich durchs Bild, wie aus einem „Harry Potter"-Film. So ganz scheinen die Entwickler also nicht auf die reine Wirkung von Musik und freier Kamerafahrt zu vertrauen, weshalb diese weitere fancy Aufmachung das Ganze wohl zusätzlich aufpeppen soll.
Interessant zu sehen, wie folgende Projekte mit der stetig weiterentwickelten 360° Kameratechnik aussehen und wie diese vielleicht in der Zukunft unsere Klassikübertragungen und Rezeption verändern mag. Und auch die Frage nach der Zielgruppe, die letztendlich damit angesprochen werden soll. Technik-Nerds? Das Stammpublikum? Oder neugierige Hipster? Bisher erscheint das virtuelle Orchestererlebnis vor allem als nette Spielerei für Technikbegeisterte.
In Deutschland versucht sich arte seit einiger Zeit an ähnlichen Projekten. Mit dem omnipräsenten Beethoven. Hier kann der Zuschauer selbst Kameraregie übernehmen und sich in ein, etwas klickwieriges, 360°-Erlebnis stürzen.


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