Von Anna Vogt, 16.01.2018

Im Eiscreme-Land

Enge Korsette und verspielteTüllröcke, schicke weiße Retro-Fahrräder – und natürlich: gaaaaanz viel gute Laune! Sol Gabetta und Cecilia Bartoli spielen auf dem Cover zu ihrer Barock-CD „Dolce Duello“ beste Freundinnen im himmelblauen Wunderland. Hat Seriosität ausgedient? Die niusic-Coverkritik.

Marketingmenschen haben es schon schwer. Der CD-Markt ist in einer Krise, sogar große Namen verkaufen sich nicht mehr von selbst. Was braucht es also? Einen Hingucker. und am besten eine „Story“, die man mit dem Produkt erzählen kann. Vor allem, wenn unbekanntere Komponisten wie Caldara, Boccherini oder Gabrieli auf dem CD-Programm stehen. Decca hat daher einiges aufgefahren, um die Duo-CD der beiden Star-Musikerinnen Sol Gabetta und Cecilia Bartoli zu promoten. Schon der Titel „Dolce Duello“ ist für ein „Konzept“-Album, falls man hier überhaupt von einem solchen sprechen mag, ganz klar im Hinblick auf Verkäuflichkeit gewählt: Ein „Duello“ verspricht offenen Ausgang, Spannung, starke Emotionen! Dass zugleich in Pressetexten vor allem das „Miteinander“ von Stimme und Instrument und nicht etwa der Wettstreit-Gedanke hervorgehoben wird: Sei`s drum! Der Zusatz „dolce“, also süß, relativiert ohnehin die Kampfansage, süß wie Eiscreme ist dieses Duell also. Ist ja zwingend logisch, dass man daher im „Dolce Duello Ice-Cream Shop“ landet, wenn man nach weiteren Informationen über diese CD sucht. Es ist die offizielle, bunt-verspielte Website zu diesem Produkt – von dem man bis dahin noch immer keine Ahnung hat, was es dem Hörer denn nun bietet.

Hier, im digitalen „Ice-Cream Shop“, wird man empfangen von sich ständig wiederholenden Koloraturen-Schnipseln von Cecilia – nennen wir sie doch gleich mal beim Vornamen, wenn bei dieser Produktion schon alles so leger und jugendlich zugeht. In verschiedenen Fenstern öffnen sich eine handgeschriebene Grußkarte von Cecilia (mit Herzchen!), in der sie „Dolce Duello“ anpreist, eine Spotify-Verlinkung zur CD, Twitter-Kommentare von begeisterten Fans oder auch das Fenster zum YouTube-Clip des Fotoshootings fürs Cover. Dieser Ice-Cream-Shop ist damit eine ziemlich sinnfreie Vermarktungsseite, die zwar oberflächlich auf Partizipation setzt, aber keinerlei informatorischen Mehrwert mit sich bringt: Hinter jedem Klick verbirgt sich – als vermeintliches Überraschungsei – eine Glorifizierung des Produkts oder ein Kaufanreiz. Ok, nächster Versuch, in dieser Vermarkungsmaschinerie Informationen zu finden: der Clip auf YouTube. Diese halbminütige Videocollage zeigt Sol und Cecilia u.a. gemeinsam auf weißen Fahrrädern, kokett mit Sonnenschirm – und huch! – auch ein Cello wirbelt hier durch die Luft, zum Glück dabei von Sol fest im Griff behalten. Das erinnert uns wieder: Hier ging es doch eigentlich mal um Musik. Oder nicht?



Letzter Versuch: das Cover selbst. Kein einziger Komponistenname hat es darauf geschafft, auch keine Erklärung, dass es sich dabei um ein Barock-Sammelsurium handelt (Arien und Duetto von Vivaldi, Caldara, Händel und anderen), stattdessen wird Personenkult vom Feinsten betrieben. Nichts gegen die beiden Interpretinnen, die in ihrem jeweiligen Metier herausragend sind, aber sie in schulterfreien Korsettkleidern auf schwerelosen Fahrrädern durch den blauen Himmel schweben zu sehen – das ist einfach absurd. Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten, und das Bonbon-Bunte und Plastikhaft-Trashige dieser Visualisierung mag manch einen ansprechen, mag Leichtigkeit und Unterhaltung suggerieren, doch auf eine Art, die einfach billig wirkt und jede Information über den Inhalt dieser CD verschweigt.
Dabei sollte ein Cover doch auch ein Spiegel oder zumindest ein Bild sein für die Musik, für die es steht – und die braucht sich im Falle von „Dolce Duello“ keinesfalls hinter bunter Schminke und Pinup-Posen zu verstecken. Sicherlich ist es ein Schritt in die richtige Richtung, wenn die verstaubten Cover von früher, mit ihren ernsten Gesichtern und der omnipräsenten Trias aus Komponist, Werk und Interpret, ersetzt werden durch verspielte, farbenfrohe, metaphorische Hingucker. Doch die sollen anregen zum Hören und sich nicht als Marketinginstrument selbst entlarven, sich dem Hörer anbiedern. Mit ihrer Kunst sind Cecilia Bartoli und Sol Gabetta diesen Maschen zum Glück weit überlegen.


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Antonio Vivaldi, Georg Friedrich Händel, Antonio Caldara u.a.

Dolce Duello

Cecilia Bartoli, Sol Gabetta, Cappella Gabetta, Andres Gabetta

Decca



© Esther Haase/Decca
© Esther Haase/Decca
© Screenshot von www.dolceduello.com: Anna Vogt


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