Auf Brautraub

Offenbar hatte sich der Pflegevater selbst Hoffnung auf die Hand seiner deutlich jüngeren Ziehtochter gemacht.

Ein Handgemenge zwischen hochgestellten Persönlichkeiten der Stadt zwang am vergangenen Wochenende in Sevilla das örtliche Wachbataillon zum Eingreifen. Gegenstand des Streits zwischen dem führenden Arzt der andalusischen Regionalhauptstadt und einem Mitglied der Aristokratie war das Pflegekind des Arztes, eine junge Frau. Wie der anwesende Notar bestätigte, war es in Abwesenheit und ohne das Wissen des Ziehvaters, der offenkundig zu spät mit den herbeigerufenen Sicherheitsbeamten zuhause eintraf, bereits zur Hochzeit zwischen dem Adeligen und der jungen Dame gekommen. Zum Konflikt wurde die überraschende Heirat aber erst, nachdem sich herausgestellt hatte, dass sich der Pflegevater selbst offenbar Hoffnung auf die Hand seiner deutlich jüngeren Ziehtochter gemacht hatte. So war er es auch, der den Notar für eine Hochzeit bestellt hatte – zu seinem Nachsehen allerdings nicht der eigenen.

Die Erkundigungen der Sicherheitskräfte vor Ort brachten außerdem ans Tageslicht, dass der ebenfalls noch junge Bräutigam in spe bereits seit Tagen das Haus des Arztes belagert hatte und bereits mehrfach gegen dessen Willen und in verschiedenen Verkleidungen eingedrungen war, etwa als zwangseinquartierter Wehrdienstleistender oder als Musiklehrer der Tochter. Zur Seite stand ihm dabei der Frisör des Viertels, ein Vertrauter des Mündels. Der eigentliche Musiklehrer – so stellte sich erst später heraus – wurde von dem mutwilligen Gespann durch Drohungen und Bestechungsleistungen zur Einwilligung in die Pläne gebracht, ebenso wie der Notar, der eine nicht geringe Geldsumme für die Trauung der ihm eigentlich Unbekannten entgegen nahm. Gegen ihn wird wegen Bestechlichkeit ermittelt. Das Nachsehen hat der Arzt, dem nichts übrig blieb, als in die ungewollte Heirat nachträglich einzuwilligen. Doch auch diesem Entschluss soll der frischgebackene blaublütige Ehemann seiner Ziehtochter mit finanziellem Entgegenkommen nachgeholfen haben.

Wer kennt sie nicht, die wohl berühmteste Bariton-Arie des Belcanto? Ein Frisör, der sich als Helfer unverzichtbar gemacht hat und die Rufe nach seinen Diensten in immer schneller werdenden Dreiklängen imitiert: „Figarofigarofigaro-FI-GA-ROOOO!“. Die Rede ist von Gioachino Rossinis „Barbier von Sevilla“. Nun war ja Rossini selbst so etwas wie everybody‘s darling der Opernszene des frühen 19. Jahrhunderts. Nicht etwa, weil seine Opern, wie der „Barbier“ mit zweieinhalb Stunden, noch verträgliche Opernausmaße hatten, bevor Wagner alle Regeln für Musiktheater auf den Kopf stellte – sondern, weil sie selbstvergessen die schier grenzenlosen Fertigkeiten und die Schönheit der menschlichen Stimme feiern. Und das mit einer zündenden, eingängigen Musik, die sich mühelos wie aus sich selbst zu entwickeln und fortzuspinnen scheint. Seiner melodischen Einfallsgabe verdankte Rossini seine Präsenz in Europa, denn so konnte er in kürzester Zeit gleich mehrere Opernhäuser mit neuen Werken beliefern. Und die verfielen dem „Rossini-Rausch“. Den „Barbier“, seine bis heute beliebteste Oper, schrieb er zum Beispiel in gerade einmal 13 Tagen nieder. Zum Entsetzen seiner Anhänger verabschiedete sich der als „Schwan von Pesaro“ gefeierte Komponist schon mit 37 Jahren und nach 16 erfolgreichen Spielzeiten freiwillig von der Bühne – mit einem beeindruckenden Œuvre. Sein Leben, das in den späten Jahren nicht frei von Schwermut blieb, widmete er fortan der Geselligkeit und dem guten Essen. Legendär blieb sein intelligenter, aphoristischer und selbstironischer Humor, etwa in dem Bekenntnis: „Ich gebe zu, dreimal in meinem Leben geweint zu haben: als meine erste Oper durchfiel, als ich Paganini die Violine spielen hörte und als bei einem Bootspicknick ein getrüffelter Truthahn über Bord fiel.“

Und das meint unsere Fachfrau:
Zunächst versucht der Graf, sich als Soldat verkleidet und mit einem offiziellen Bescheid ausgestattet im Haus von Bartolo einzuquartieren. Weil er eine Soldaten-Uniform trägt, macht er sich dabei wegen Missbrauchs von Abzeichen und Uniformen strafbar (§ 132a StGB), was mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden kann. Da die Einquartierung wohl zudem eine Handlung darstellen dürfte, die nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf, steht hier zusätzlich eine Strafbarkeit wegen Amtsanmaßung im Raum, § 132 StGB, wofür ihm eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren droht. Wenn es sich bei dem Quartierbescheid um eine Fälschung handelt, droht Almaviva zudem wegen Urkundenfälschung sogar eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, § 267 Abs. 1 StGB.
Auch im letzten Akt haben sich Figaro und der Graf nicht sonderlich gesetzestreu gezeigt.
Sie wollen Rosina gemeinsam entführen, damit der Graf und Rosina heiraten können. Dazu steigen sie im letzten Akt über den Balkon ins Haus von Bartolo ein. Damit kommt eine Strafbarkeit wegen Hausfriedensbruchs, § 123 StGB in Betracht. Demnach macht sich strafbar, wer entgegen dem Willen des Berechtigten dessen Wohnung betritt. Bartolo dürfte sicher nicht damit einverstanden gewesen sein, dass sich Figaro und der Graf in seinem Haus aufhalten, was den beiden auch bewusst war. Damit haben sie sich strafbar gemacht, wofür ihnen eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von maximal einem Jahr droht, allerdings nur, wenn Bartolo auch einen Strafantrag gemäß § 123 Abs. 2 StGB stellt.
Anschließend bringt der Graf Don Basilio dazu, als Trauzeuge den Ehevertrag von Almaviva und Rosina zu unterzeichnen, indem er ihm einen Ring schenkt. Immerhin damit kommt der Graf aber straflos davon – Bestechung ist nur in besonderen Fällen strafbar, nicht aber hier.

(Jessica Krüger, Bucerius Law School Hamburg)