Acht Jahre lang hat das Mosa Trio gewartet mit seiner ersten CD-Einspielung, dabei hatten die Musiker eigentlich keinen Grund für solche Bescheidenheit: Die Konzert- und Festivalveranstalter und genauso das Publikum in Belgien und den Niederlanden haben das Ensemble nämlich längst auf dem Schirm. Schon knapp zwei Jahre nach ihrer Gründung spielten Alexandra Van Beveren (Violine), Paul Stavridis (Cello) und Bram de Vree (Klavier) teilweise im Wochenrhythmus beim Grachtenfestival Amsterdam, dem Festival van Vlaanderen, dem Kamermuziekfestival Hoorn und dem Kamermuziekfestival Maastricht. Fast hatte es was von absichtlichem Zappeln lassen und Hinhalten, immer nur in vergänglicher Konzertform präsent zu sein und noch nichts von unveränderbarer Dauer in die Welt gesetzt zu haben.
Im April ist jetzt die CD „Portraits“ erschienen, in deren Zentrum Dmitri Schostakowitschs zweites Klaviertrio steht. Und was die Interpretation so erschütternd, so ergreifend macht, ist fatalerweise genau das: die Zeit, die sich das Trio nimmt. Auch wenn von den „Mosas“ noch keiner die 30 Jahre erreicht hat, klingt, was sie spielen, als hätten sie es sich ein Leben lang aufgehoben. Aus Furcht vor seiner Größe, aus Respekt vor dem unwiderruflichen Akt, es zum Klingen gebracht zu haben. Es ist so gereift, dass während des Spiels die Zeit als Dimension in beinahe unerträglicher Kompromisslosigkeit spürbar wird.
Das Klaviertrio Nummer Zwei ist vermutlich „das allertragischste im Schaffen Schostakowitschs“, schreibt Iwan Martynow, Schostakowitschs erster Biograf. Und das hört man. Die Musik kommt im ersten Satz Andante aus einer leisen Zerbrechlichkeit, die die Musiker mit großer Vorsicht aufnehmen, mit poetischer Zurückhaltung und Schlichtheit, wenig Vibrato 186 , sehr gedämpft. So furchtsam das Trauermarschthema dabei klingt, so bitter kommt auch die folgende Ironie, die böse Fratzenhaftigkeit der Verzweiflung.
Die drei Interpreten bleiben so eng am Notentext, dass ihre Art zu spielen bisweilen etwas Referierendes hat, etwas zur Komposition sehr Distanziertes, doch genau das ist ihr Trumpf: Der scherzhafte, clowneske Duktus im zweiten Satz gerät nie übertrieben, und die große Trauer-Passacaglia 73 im Largo nicht pathetisch. Der Cellist und die Geigerin schieben ihre Melodien dagegen mit rigoroser Konzentration geradeaus, unerbittlich. Sie legen die Musik vollständig frei.
Für viele Leute heut verbunden mit Johann Sebastian Bach und einer genialen Komposition in c-moll. Es dominiert mal wieder der Bass, der ein unveränderliches Thema immer wiederholt. Darüber darf nach herzenslust variiert werden. Ursprünglich war die Passacaglia mal ein volkstümlicher Tanz. (MH) ↩
Dieses wunderbare Schwingen des Tones macht die Noten eines Sängers oder eines Streichinstruments erst zu Musik! Durch geringfügige Frequenzänderungen scheint der Ton zu leben. In der klassischen Musik eine der weitverbreitetsten Spieltechniken. Aber Vorsicht, es gibt auch Werke, da ist weniger mehr. (MH) ↩
Unter de Vrees Fingern klingt das Klavier im Allegretto so vielseitig wie selten bei vergleichbaren Einspielungen, so nah wie möglich dran am Klang der Streicher, und, wenn es sein muss, auch so weit weg, so perkussiv, so hämmernd wie nötig. Gerade an Stellen, an denen man gerne das Tempo beschleunigen würde, zieht das Mosa Trio im Gegensatz die Zügel stramm, bleibt akribisch-streng im Metrum, wird teilweise sogar minimal langsamer. Das ist nicht nur musikalisch sehr genau, sondern schier quälend für den Hörer, und so soll es sein: dass einem zwischen Neben-Thema und Finale die Haare ergrauen. Die Interpretation ist so diszipliniert in ihrer Nacktheit, so stolz und anklagend, und so konfrontativ, dass es einem die Schuhe auszieht.
Neben dieser Vorlage stehen die anderen beiden „Portraits“ auf der CD – „Portrait Of Light“ von Sam David Wamper und das Trio op. 2 von Mathias Coppens – im direkten Anschluss auf etwas wackeligen Füßen, vor allem, weil man nach dem intensiven Schostakowitsch-Trio wohl erst einmal eine emotionale Pause braucht. Schön, dass so eine CD-Aufnahme nicht wegläuft. Dass man sich als Hörer die Zeit nehmen kann, die man braucht, um die Musik zu verarbeiten.
Die klanglichen Querschläger und Flüster-Effekte im Wamper-Stück, die irrsinnige Virtuosität im Zusammenspiel im Coppens-Trio lohnen sich zu hören. Zwischendurch klingt es in beiden Interpretationen, als würden sich die Streicher und das Klavier unterhalten wie zwei Verliebte. Da knistert und brodelt es, Spannung, die auch mit der Zeit nicht nachlässt. Die nächste Mosa-CD ist kaum zu erwarten.
© Challenge Records