Es ist beinahe niedlich, wie verzweifelt die „Alternative für Deutschland“ (AfD) strampelt, um wieder ins Rampenlicht zu gelangen. Im September 2016 wurde der rechtskonservativen Partei nach Umfragen noch eine Zustimmung von 16 Prozentpunkten der Wählerschaft vorhergesagt, aktuell liegt die Prognose eher bei 9 bis 10 Prozentpunkten. Da musste dringend ein neuer Aufreger her, damit jeder zum krakeelenden Clown auf der Nebenbühne blickt. Alexander Gauland, der Spitzenkandidat der AfD, eröffnete vergangene Woche das Schauspiel und beleidigte die derzeitige Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz, weil diese in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel Dinge über den Begriff der „Leitkultur“ sagte, die Gauland so nicht passten, zum Beispiel: „Eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar.“
Nun wurde dieser Gastbeitrag aber bereits im Mai 2017 publiziert, es sind knapp 100 Tage vergangen, ehe Gauland sich maximal echauffierte. Es ist ein letzter, beinahe niedlicher Versuch der AfD, das Thema „Leitkultur“, das in der öffentlichen Debatte einfach nicht zünden wollte, erneut mit Luft zu befächern. Vergebens. Diesmal hat das Prinzip der AfD nicht funktioniert: Man will ein Thema setzen, schafft das über widerlichste Überspitzungen, wird kurz gescholten und rudert fadenscheinig zurück. Anschließend wird das Thema von den anderen Parteien dennoch begierig aufgegriffen. Aber keiner kann die Aussagen von Gauland unterbieten. Er hatte auf einer Wahlkampfveranstaltung in Thüringen über Özoğuz gesagt: „Ladet sie mal ins Eichsfeld ein und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können.“
Alexander Gauland und Björn Höcke: ganz dicke Freunde
Dabei erschrecken die Forderungen der AfD in ihrem Parteiprogramm zum Thema „Kultur“ derart, dass es beinahe schade ist, dass darüber nicht öffentlich debattiert wird. Es geht um eine Renationalisierung von Kultur.
„Die Ideologie des Multikulturalismus, die importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur gleichstellt und deren Werte damit zutiefst relativiert, betrachtet die AfD als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit. Ihr gegenüber müssen der Staat und die Zivilgesellschaft die deutsche kulturelle Identität als Leitkultur selbstbewusst verteidigen.“
Grundsatzprogramm der AfD
Die konkreten Vorschläge dazu sind grauenhaft. Von Orchestern und Theatern wird die „Pflicht, einen positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern“, verlangt. Bühnen sollen „neben den großen klassischen internationalen Werken stets auch klassische deutsche Stücke spielen und sie so inszenieren, dass sie zur Identifikation mit unserem Land anregen.“ Diese Forderung, die unwillkürlich an Mottenkistenstaubtheater denken lässt, steht im Landtagswahlprogramm Sachsen-Anhalts auf Seite 20. Kunst und Ästhetik sollen für eine Identitätsfindung instrumentalisiert werden. Was bedeutet das in konkreten Fällen? Der AfD-Abgeordnete Gottfried Backhaus polterte im vergangenen November, als in Dessau ein Theaterstück – „Das Fremde so nah“ – von deutschen und syrischen Jugendlichen aufgeführt wurde: „Das ist ein manipulatives Theater-Projekt, das darauf abzielt, Jugendlichen den Sinn für die Differenz zwischen dem Eigenen und dem Fremden abzuerziehen. Das kann doch nicht Sinn unserer Theater sein. … Das Theater muss ganz einfach wieder zu einem volkspädagogischen Anspruch zurückfinden. Das Theater dient der Nationalbildung.“
Es ist eine weitere Forderung, die gegen das Grundgesetz verstößt, heißt es doch in Artikel 5: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“ Kunst und Kultur müssen weder Bekenntnisse ablegen noch Vorgaben zur Ästhetik oder zur Spielplangestaltung einer Partei beachten.
Eine Frage hätte man aber doch noch an die AfD: Was ist „deutsche“ Musik? Ludwig van Beethoven? Der hat leider fast nur in Österreich gelebt. Wolfgang Amadé Mozart? Der hat leider im italienischen Stil komponiert. Georg Friedrich Händel? Der hat sein Glück in England gefunden. Paul Hindemith? Haben leider die Nazis schon verboten, das wäre nicht kreativ. Wir würden der Partei gerne bei der Identitätsfindung helfen und Arnold Schönberg als deutschen Nationalkomponisten vorschlagen. Wohl niemand hat im 20. Jahrhundert für mehr Umwälzung in der Musikwelt gesorgt. Aber Schönberg war jüdischer Abstammung. Das wird der AfD vermutlich auch nicht passen.