#rummosern

Eine Saison, rund um die Welt: Cellist Johannes Moser gibt in Video-Gastbeiträgen Einblicke in sein turbulentes Leben.

Von Anna Vogt, 05.09.2019

#rummosern

Wie sieht das Leben eines Solisten aus? In der Saison 2019/20 berichtet Cellist Johannes Moser auf niusic von seinen Tourneen und seinen wichtigsten Musikprojekten. Zum Auftakt der Video-Reihe #rummosern sprachen wir mit ihm u.a. über die Leidenschaft fürs Filmen, über Videodrohnen und das Suchtpotenzial von Social Media.

Johannes Moser optimiert gern alles, soweit es möglich ist: Seinen Terminkalender befüllt er, als ob er Tetris spielen würde. Wo noch ein Fleckchen frei ist, passt doch hervorragend eine weitere Probe rein. Oder ein Unterricht. Oder ein Interview. Oder ein Videodreh. Was für eine grenzenlose Energie! Neben seinen etwa 80 Solokonzerten, die er im Jahr spielt, neben seiner Cello-Professur in Köln und seinen gemeinnützigen Projekten findet Johannes Moser auch noch Zeit und Lust, sein Leben als Cellist immer wieder auf Video zu dokumentieren. Genau deswegen ist er der perfekte Musiker für unsere erste Gastbeitrags-Reihe: Auf niusic.de wird Johannes Moser in der Saison 2019/20 filmische Einblicke in sein Jetset-Leben als Solist geben. Zum Auftakt der Video-Reihe #rummosern mit und von Johannes Moser haben wir mit ihm in einer Berliner Kneipe erst mal ein paar Grundsatzfragen geklärt. Gleich um die Ecke von der Hanns-Eisler-Musikhochschule, wo er studiert hat. Inzwischen lebt er in Wien und in Hotels auf der ganzen Welt.

#rummosern

Eine Saison, rund um die Welt: Cellist Johannes Moser gibt in Video-Gastbeiträgen Einblicke in sein turbulentes Leben.

niusic: Wann hast Du das Filmen für Dich entdeckt?
Johannes Moser: Das war in der Schule, Anfang der 90er. Wir sollten im Kunst-Unterricht Video-Clips drehen, natürlich noch ohne Handys. Ich habe ein wahnsinnig elaboriertes Skript mit großer Kulisse und allem Drum und Dran entwickelt. Aber der Lehrer meinte irgendwann zu mir: Siehst Du, wie die anderen das mit ganz einfachen Mitteln und ohne große Kulisse machen? Und die waren damit viel effizienter. Da habe ich verstanden, dass Einfachheit der Schlüssel zu diesem Format ist. 15 Jahre später hatte jeder ein Handy und jeder machte Filme – und ich habe mich gefragt: Was habe ich neben dem Musizieren zu erzählen? Mich interessiert, wie ich mit minimalsten Mitteln aus meinem Leben berichten kann.

niusic: Also filmst Du mit Smartphone?
Moser: Nein, das Smartphone macht vor allem als Audio-Aufnahmegerät keinen Sinn. Ich habe derzeit meist eine Kamera mit Stativ und ein extra Aufnahmegerät dabei, das den Ton nicht komprimiert. In der Postproduktion kann man Bild und Ton dann zusammensetzen.

niusic: Du arbeitest auch immer wieder mit einer Video-Drohne. Wie funktioniert das?
Moser: In der Drohne gibt es automatische Programme, die man ablaufen lassen kann; man kann zum Beispiel auf dem Display einen Punkt fixieren, in diesem Fall das Cello, dann dreht sich die Drohne automatisch einmal um diesen Punkt herum.

niusic: Und wie lässt man die losfliegen, während man Cello spielt?
Moser: Die Drohne steht in der Luft und bleibt auch in der Luft wieder stehen, nachdem sie sich einmal um Dich gedreht hat. Oder man kann sie auch von sich wegfliegen lassen oder sie senkrecht in den Himmel starten lassen: Dafür gibt’s diese Selfie-Programme.



niusic: Wie gehst Du inhaltlich an einen Videodreh ran? Schreibst Du davor ein Storyboard?
Moser: Meistens habe ich ein grobes Storyboard. Aber wie ich die Teile letztlich zusammenfüge, entscheide ich erst später, wenn ich sehe, was für Bilder ich beim Filmen bekommen habe. Da ist also einerseits die inhaltliche Arbeit, aber andererseits auch die ästhetische.

niusic: Geht es beim Filmen auch um Intuition, um Bauchgefühl?
Moser: Ja, das würde ich so sagen. Ich lerne mit jedem Projekt dazu und probiere auch gern Neues aus. Kürzlich habe ich zum Beispiel entdeckt, wie das mit dem Green Screen funktioniert. Und natürlich habe ich die nächsten drei Videos mit mir vor dem Green Screen gedreht, bis ich gemerkt habe: Das ist jetzt auch nicht der Weisheit letzter Schluss (lacht).

niusic: Gibt Dir das Filmen eine andere Freiheit als das Musizieren?
Moser: Ja, es ist eine totale Spielwiese – und das genieße ich sehr! Ich will mich dabei in einem Medium ausprobieren, in dem ich bewusst kein Profi bin.

Johannes Moser: analog und digital

niusic: Die Videos entstehen vor allem für Deine Social Media-Kanäle, die Du alle selbst betreust. Das ist viel Arbeit. Warum tust Du Dir das an und engagierst keine Agentur für Social Media?
Moser: Man merkt sofort, wenn eine Agentur dahinter steht. Für einen Künstler ist ja die Motivation, über Social Media zu kommunizieren, dass man darüber eine Nähe zum Publikum herstellen kann, die sich über die Kunst allein nicht einstellt. Wenn man das an eine Agentur abgibt, dann fehlt das Authentische. Auf diese Weise hab ich zwar nicht so viele Follower wie Lady Gaga, aber meine Follower bekommen einen Blick auf mein Leben, wie ihn keiner außer mir ermöglichen könnte.

niusic: Bist Du viel auf Social Media unterwegs?
Moser: Die Benachrichtigungen habe ich zum Glück schon ausgeschaltet. Stattdessen gehe ich aber manchmal fünf Mal in der Stunde auf Facebook, um zu sehen, wie viele Likes mein Beitrag bekommen hat. Ich muss zu meiner Schande gestehen, ich ziehe daraus eine gewisse Genugtuung. Und davon möchte ich mich frei machen: Ich möchte mich mitteilen, aber ich möchte nicht mein Selbstwertgefühl aus Social Media-Likes beziehen.

niusic: Aber Feedback und Austausch sind Dir schon wichtig, oder?
Moser: Ja, vor allem bei Videos, die etwas aufwändiger sind und in die ich viel Zeit und Energie gesteckt habe. Wenn ich fünf Stunden an so einem Videoschnitt gearbeitet habe, interessiert mich natürlich das Feedback auf diese Arbeit.

niusic: Wenn man etwas von sich preisgibt, möchte man ja auch eine Reaktion darauf …
Moser: Das stimmt. Aber es ist wie beim Pawlowschen Hund: Unglaublich, wie schnell man sich konditionieren lässt! Bei Twitter und bei Instagram dauert es zwei Sekunden, bis angezeigt wird, wie viele Likes Du aktuell hast. Und man hat herausgefunden, dass man in dieser Zeit genau dieselbe Spannung empfindet, wie wenn man am Spielautomaten wartet, ob man gewonnen hat. Diese Spannung ist suchtgefährdend. Und das muss man erkennen und damit umgehen lernen.

„Ich möchte mich mitteilen, aber ich möchte nicht mein Selbstwertgefühl aus Social Media-Likes beziehen.“

Johannes Moser

niusic: Weißt Du, wer konkret Deine Follower sind?
Moser: Meine Kanäle richten sich hauptsächlich an junge Klassik-Studierende oder -hörer, darüber hinaus sind aber auch viele Leute dabei, die mich im Konzert gehört haben; ich möchte meine Follower über die Musik ansprechen und den Inhalt nicht so allgemein halten, dass man gar nicht weiß, um wen es hier eigentlich geht. Die Leute, die meinen Account abonniert haben: Die wollen Cello.

niusic: Du gibst also nicht viel Privates von Dir preis? Willst Du primär als Künstler und nicht so sehr als Mensch auf Social Media wahrgenommen werden?
Moser: Wo verläuft hier die Grenze? Das ist ganz schwierig für mich, diese beiden Identitäten zu trennen …

niusic: Machst Du mit Social Media und Deinen Videos auch Marketing für Dich?
Moser: Absolut! Und es ist mir auch wichtig, dort von Projekten zu berichten, die sonst weniger sichtbar sind, zum Beispiel von Schulbesuchen. Das zu posten, kann ja auch für andere als Inspiration dienen, in ihrem Umkreis etwas zu bewirken. Als Selbständiger bin ich für meine eigene Unternehmenskultur zuständig und ich will in meinem Unternehmen Johannes Moser auch Projekte laufen lassen, die eine persönliche Relevanz für mich haben und die sonst unterbelichtet sind – dazu gehören soziales Engagement und mein Unterricht. Diesen Aktivitäten eine Sichtbarkeit zu geben: Dafür ist Social Media gut.

niusic: Tauschst Du Dich auch persönlich mit Deinen Followern aus, gibt’s da auch schwierige Kommentare?
Moser: Klar, negative Kommentare finden sich im Internet immer. Aber ich habe gelernt, ein bisschen Abstand davon zu nehmen; ich versuche, alle direkten Nachrichten an mich zu beantworten, auch wenn es manchmal nur ein Zweizeiler wird. Einfach „Danke für die Nachricht“ oder „Ich habe mich darüber gefreut“. Ich finde es toll, wenn sich Leute für künstlerische Inhalte interessieren, das muss man honorieren. Wir sind gemeinsam in einem Boot, in einer Mission für etwas, was uns begeistert.

niusic: Planst Du Deine Social Media-Strategien langfristig?
Moser: Mit meinem Label schon. Wir besprechen, wer wann was veröffentlicht, wenn es darum geht, Teaser und Ausschnitte von neuen CDs zu posten. Woran ich im Social Media sehr stark glaube: Es gibt nur das Präsens. Man muss immer direkt und ohne Verzögerung von dem berichten, was gerade passiert, also zum Beispiel mit Hilfe von schnellen Video-Postings, die sofort online gestellt werden können. Aber natürlich gibt es Ausnahmen: Bei komplexeren Musik-Videos braucht es ein bisschen Vorlauf …

niusic: Vielleicht eine blöde Frage, aber fühlst Du Dich vor der Kamera wohl?
Moser: Ja, das ist immer wieder ein guter Manierismen-Check, was man sich da schon wieder für komische Sachen angeeignet hat (lacht). Aber klar, Kamera geht gut. Wobei es etwas ganz anderes ist, als vor Publikum auf der Bühne zu spielen. Die Kamera ist im Grunde die Abstraktion des Zuschauers, also hast Du kein direktes Feedback. Man muss lernen, trotzdem mit der Situation zu spielen … Das ist am Anfang nicht einfach.

© Sarah Wijzenbeek


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